Gwydion 02 - Die Macht des Grals
bewundern.
Zunächst musste Lancelot gegen Sir Belvedere antreten. Der kleine, etwas dickliche Ritter hatte auf Gwyn immer ein wenig unbeholfen gewirkt, was aber ausschließlich daran lag, dass er ihn noch nie hatte richtig kämpfen sehen. Belvedere erwies sich als wahrer Kugelblitz, der sich trotz seines hohen Alters unglaublich geschmeidig bewegte. Ehe sich Lancelot versah, hatte ihn Sir Belvedere zu Boden geworfen und ihm dabei die Arme so verdreht, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Gwyn schluckte, als er sah, mit welcher Leichtigkeit sein Herr immer und immer wieder besiegt wurde. Dabei konnte Sir Lancelot von Glück reden, dass ihm nicht alle Knochen gebrochen wurden. Ein echter Kampf, bei dem Belvedere all sein Geschick und Können bis zur letzten Konsequenz demonstriert hätte, wäre bereits nach wenigen Augenblicken beendet gewesen.
Obwohl das Bogenschießen während des Turniers keine Rolle spielte, hatte Lancelot darauf bestanden, es mit in sein Training aufzunehmen. Auch Gwyn liebte den Umgang mit Pfeil und Bogen, denn hier kam es nicht so sehr auf rohe Kraft an, sondern auf innere Spannung und Konzentration. Neben dem Körper wollte auch der Geist geschult werden.
Den größten Teil des Tages verbrachte Lancelot aber mit Sir Gawain, der sich auf seine Aufgabe ganz besonders vorbereitet hatte. Meister Arnold hatte staunend erzählt, dass der Herr der selbst geschmiedeten Verse und Freund schwerer Weine seit zwei Wochen keinen Tropfen angerührt hatte. Und diese Entsagung tat ihm sichtlich gut. Der müde Blick war aus seinen Augen verschwunden und die ganze Körperhaltung strahlte so viel Kraft aus, dass Gwyn auf einmal keine Mühe mehr hatte, sich diesen Mann als jungen Recken vorzustellen. Gawains Umgang mit Schwert und Dolch war vielleicht nicht so beeindruckend, doch dafür war seine Technik ausgefeilter als die Sir Kays.
Anfangs war Lancelot kein wirklicher Gegner für ihn. Zwar wich dieser den Hieben und Stichen Sir Gawains immer wieder geschickt aus, doch länger als eine halbe Stunde konnte er das Katz-und-Maus-Spiel nicht durchhalten – geschweige denn, von der Rolle des Verteidigers in die des Angreifers wechseln.
Dennoch machte Sir Lancelot gewaltige Fortschritte. Die Muskeln wuchsen und der Umgang mit den Waffen wurde sicherer. Aber Gwyn hatte Angst, dass sich Lancelot zu viel zumutete und irgendwann den Preis dafür zahlen musste.
Der Zusammenbruch kam am Tag vor dem Turnier.
Noch vor Sonnenaufgang war Lancelot aufgestanden, um seinem Garten der Leiden wie an jedem Morgen einen Besuch abzustatten.
Als Gwyn zusammen mit den anderen Knappen nach dem Wecken den Burghof betrat, fand er seinen Herren zusammengekauert bei den Ställen, wo er sich vor Erschöpfung übergab. Sir Kay, der seinen Schülern die Kettenhemden für ihren morgendlichen Lauf aushändigte, betrachtete die Szene mit einem hämischen Grinsen.
„Sieht so aus, als bräuchte Sir Lancelot deinen Beistand. Geh und hilf ihm wieder auf die Beine. Du bist für heute vom Unterricht befreit“, sagte Sir Kay großzügig.
Gwyn stieß einen leisen Fluch aus, als er zu Sir Lancelot hinüberlief. Beim Anblick seines bleichen Gesichts vergaß er, dass er der Knappe und Sir Lancelot sein Herr war, und fuhr ihn erschrocken an. „Seid Ihr von Sinnen? Wenn Ihr so weitermacht, werdet Ihr noch tot umfallen!“
„Immer noch ein besseres Ende, als von Sir Kay nach Strich und Faden verprügelt zu werden“, japste er. „Seien wir ehrlich, Gwyn. Es hat keinen Sinn bei diesem Turnier anzutreten. Ich mache mich nur lächerlich.“
„Unsinn“, versuchte er Lancelot zu beschwichtigen. „Schaut Euch doch an! Ihr habt keine Ähnlichkeit mehr mit dem Mann, dem ich in den Wäldern begegnet bin. Eure Kraft ist wiedergekehrt, doch müsst Ihr Euch einmal etwas Ruhe gönnen. Ihr wollt zu schnell zu viel.“
Lancelot lachte trocken. „Man könnte meinen, du wärest der Ritter und ich der unerfahrene Knappe. Wir sollten Merlin um Hilfe bitten. Vielleicht kann er ja ein Mittel brauen, das mich wieder auf die Beine bringt.“ Er ergriff Gwyns dargebotene Hand und ließ sich hochziehen.
„Merlin wird Euch nicht helfen können. Der Ausgang des morgigen Kampfes liegt einzig in Euren Händen.“ Gwyn überlegte kurz. „Sir Kay hat mich für den Rest des Tages entlassen. Wartet hier, ich bin gleich wieder zurück. Sattelt in der Zwischenzeit Dondar.“
„Was hast du vor?“, fragte Lancelot ein wenig misstrauisch.
„Wir machen einen
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