Gwydion 03 - König Arturs Verrat
Fisch. So, als ob ihn der Schlag getroffen hätte.“
„Nein, das ist es nicht. Merlin sagt, dass Sir Kay nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele verletzt worden sei und deswegen nicht mehr spricht.“
„Nun, dann hat Artur wohl niemanden mehr, der seine Leute herumkommandiert“, sagte Rowan mit einem schiefen Grinsen.
Gwyn sah ihn ernst an. „Ja, und das ist zu einem großen Problem geworden. Es herrscht keine Disziplin mehr. Die Knappen werden nicht mehr ausgebildet und niemand geht mehr seinen Pflichten nach.“
„Dann muss Artur eben selbst einschreiten“, sagte Rowan. „Immerhin ist er der König.“
„Rowan, seit deinem Verschwinden hat sich vieles verändert“, sagte Gwyn vorsichtig. „Du würdest Camelot nicht mehr wiedererkennen. Die meisten der Ritter verlassen die Tafelrunde wohl nur aus einem einzigen Grund nicht: weil sie ein Treueid bindet.“
Rowan nickte. „Ja, der verdammte Gral. Er hat die Köpfe so vieler Männer vernebelt! Langsam glaube ich, dass dieser Kelch des Letzten Abendmahls gar nicht existiert. Man hat ihn nur erfunden, um Leuten wie Mordred und Artur den Verstand zu rauben.“
„Und wenn es ihn doch gibt? Was würdest mit ihm tun?“, fragte Gwyn.
„Das kann ich dir sagen“, erwiderte Rowan, ohne zu zögern. „Ich würde ihn vernichten.“
Die Tage vergingen. Agrippina kam dank Lady Wennas vorzüglicher Küche erstaunlich schnell wieder zu Kräften. Ihre knochigen Züge wurden weicher und das Gesicht einer schönen, südländisch anmutenden Frau kam langsam wieder zum Vorschein. Es dauerte nicht lange, bis sie sich auf die Bettkante setzen konnte, ohne dass ihr schwarz vor Augen wurde. Bald würde sie die ersten Schritte tun können.
Wenn Gwyn sich nicht gerade um Agrippina kümmerte, half er Lady Wenna mit dem Vieh. Es war erstaunlich, wie sehr er das bäuerliche Leben vermisst hatte. Die frische Luft und die Stille taten ihm gut. So gut, dass Sir Lancelot nach einigen Tagen beschloss, die Übungen mit dem Schwert wieder aufzunehmen.
Es war lange her, seit Gwyn das letzte Mal eine Klinge in der Hand gehabt hatte. Die ungewohnten Bewegungen ließen seinen Arm schon nach kurzer Zeit schmerzen, bis er schließlich kraftlos an der Seite herabhing.
Rowan schaute dem Treiben nur scheinbar teilnahmslos zu. Er hatte nach seinem Weggang aus Camelot gelobt, sich den, wie er meinte, ritterlichen Eitelkeiten zu entziehen und nur noch seiner Mutter zu helfen, doch Gwyn spürte, dass es Rowan in den Fingern juckte, sich mit Lancelot zu messen. Das war vielleicht sein größtes Problem: Er hatte einfach seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden. Jeder glaubte, etwas anderes in ihm sehen zu müssen, und unter diesem Druck war er beinahe zerbrochen.
Für seinen Vater war er der künftige König Britanniens gewesen. Merlin hingegen glaubte, Rowan sei ein Mensch, dessen empfindsames Wesen verzweifelt an einer Welt litt, die nach und nach aus den Fugen zu geraten drohte. Seine Mutter, die ihren Sohn seit seinem siebten Lebensjahr nicht mehr gesehen hatte, nahm ihn so, wie er war, und das tat Rowan sichtlich gut. Noch nie hatte Gwyn seinen Freund so entspannt, fast fröhlich erlebt. Er fragte sich, was mit ihm geschehen würde, wenn sie wieder nach Camelot zurückkehrten.
Sie hatten bereits zwei Wochen Lady Wennas Gastfreundschaft in Anspruch genommen, als Agrippina zum ersten Mal ihre Kammer verließ. Sie war zwar noch lange nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte, doch sie bestand darauf, an diesem Abend gemeinsam mit den anderen zu speisen, so sehr sehnte sie sich nach menschlicher Gesellschaft.
Es war ein bewegender Anblick, als sie mit vorsichtigen Schritten hinaus in das helle Sonnenlicht trat. Ihre Haut war bleich wie das Antlitz jener Statuen, die den Weg hinauf nach Chulmleigh Keep gesäumt hatten, doch nach stundenlangem Kämmen hatte ihr verfilztes, schulterlanges Haar wieder einen wunderschönen, blauschwarzen Glanz angenommen. Gwyn hatte Lady Wenna im Auftrag seiner Tante nach irgendwelchen Schönheitsmitteln gefragt, und die Herrin von Caer Goch hatte tatsächlich das eine oder andere finden können, von dem vieles freilich nicht mehr zu benutzen war. Sie selber schminkte sich seit dem Weggang von Sir Kay nicht mehr und so hatte sie Agrippina die kleine, mit Perlmutt besetzte Schatulle geschenkt, in dem sie ihre Puder und Salben aufbewahrt hatte.
Agrippina schloss die Augen und drehte das Gesicht in die Sonne. Der Wind spielte mit ihrem Haar, als wäre es aus
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