Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern
über die Klassenarbeiten, die geschrieben wurden, und pflegen einen guten Kontakt zu den Lehrern, vor allem in den Fächern, in denen Ihr Kind vielleicht etwas schwächer ist. So können Sie rechtzeitig die notwendigen Schritte unternehmen, falls die Noten schlechter werden sollten.
Sie zeigen eine gewisse Gelassenheit, was Noten anbelangt – schlechte wie gute. Bei einer Eins gibt es also nicht gleich 20 Euro. Stattdessen freuen Sie sich einfach mit Ihrem Kind, loben es, bewerten diese Note aber nicht über Gebühr, sonst fällt vielleicht die Freude über eine Zwei beim nächsten Mal eher schaumgebremst aus. Genauso wenig bedeutet eine schlechte Note gleich eine Katastrophe. Signalisieren Sie das, aber ohne ins Extrem zu rutschen und die schlechte Note zu bagatellisieren. Machen Sie vielmehr deutlich, dass Sie ein berechtigtes Interesse daran haben, die Ursache für die misslungene Arbeit zu erfahren. Führen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind dann so,dass es möglichst selbst erkennt, weshalb die Arbeit schlecht lief, und bieten Sie Ihre Hilfe bei der Vorbereitung der nächsten Arbeit an – zum Beispiel beim Abhören von Vokabeln.
■ Schlechte Note – warum?
»Wir wissen nicht, was wir falsch machen«, stöhnt ein Elternpaar in der Sprechstunde des Schulpsychologen. »Unser Jörn entwickelt sich zu einem Schulversager, wenn er so weitermacht.« Jörn ist dreizehn, hatte in der Grundschule nur sehr gute Noten, geht nun aufs Gymnasium, auf das er unbedingt wollte, hat gute Freunde in seiner Klasse und Eltern, die sehr verständnisvoll mit ihm umgehen. Auf Jörns Noten scheinen diese Bedingungen aber keinen Einfluss zu haben: Zwei Monate vor dem Zeugnis steht er in den meisten Fächern zwischen »4« und »5«.
Schließt man in diesem Fall Faulheit als Ursache aus, so bleibt ein weiterer wichtiger »Risikofaktor«: Jörn ist männlich, und Jungs haben es in der Schule eindeutig schwerer als Mädchen. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums bestätigt das: Jungs werden später schulreif, landen häufiger in Sonderschulen, bekommen weniger Gymnasialempfehlungen, bleiben eher sitzen und haben schlechtere Bildungsabschlüsse als Mädchen. Die Ursachen für diese alarmierenden Befunde sehen die Autoren dieser Studie hauptsächlich in traditionellen männlichen Rollenmustern, die in der Schule von heute nur wenig gefragt sind. 8
Dazu meint der Entwicklungspsychologe Wassilios Fthenakis: »Genauso wie Männer in der Vergangenheit in Netzwerken ihren Machtstatus untermauert haben, bevorzugen heute Frauen jene, die mehr dem eigenen Ansatz entsprechen: die Mädchen. Deshalb sind Jungen heute die gefährdete und benachteiligte Gruppe. Es müsste eine Gesellschaft erschüttern,wenn ein Geschlecht, egal welches, diese systematische Benachteiligung erfährt. Aber niemand steht auf und protestiert. In Gesellschaften, in denen Jungen eine ökonomische Rolle für die Eltern spielen, sind sie das erwünschte Geschlecht. Bei uns, wo weibliche Kompetenzen wie Interaktion, Kommunikation und Emotionalität gefragt sind, werden Mädchen bevorzugt.« 9
Gefragt sind also in der modernen Arbeitswelt jene Eigenschaften, die – meistens – Mädchen auszeichnen, ob nun genetisch bedingt und/oder anerzogen. Verstärkt wird die Akzeptanz dieser Verhaltensweisen bereits in der Grundschule durch hauptsächlich weibliches Lehrpersonal und den Anspruch, Mädchen so früh wie möglich zu fördern, damit eine – vermeintlich immer noch existierende – Benachteiligung ausgeglichen werden kann. Diese Förderung war sicherlich lange Zeit berechtigt, nur: Wo gibt es heute noch das gesellschaftlich benachteiligte Mädchen vom Lande wie in den 60er-Jahren, dem die Eltern jegliche Lebensperspektive verwehrten mit den Worten: »Du brauchst keine Ausbildung. Du heiratest ja sowieso!«
Männliches Rollenverhalten wie zum Beispiel Kräftemessen – und das ist in diesem Fall meistens wörtlich zu nehmen – wird in den Schulen sehr häufig als negativ gebrandmarkt und verstärkt damit die Unsicherheit vieler Jungs. »Müsst ihr euch denn immer prügeln!«, schimpft die (wohlmeinende) Lehrerin, wenn Jungs auf dem Pausenhof raufen. Und verweist dann meistens noch auf die Mädchen in der Klasse, die ihre Unstimmigkeiten doch friedlich, weil verbal, zu lösen imstande seien.
Abgesehen davon, dass verbale Auseinandersetzungen unter Mädchen mindestens ähnlich schlimme Wunden wie eine Prügelei unter Jungs hervorrufen
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