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Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern

Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern

Titel: Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann , Klaus Fritz
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Rückschritt bedeuten, denn nicht nur im Arbeitsleben, sondern überhaupt im »wirklichen« Leben gibt es ja auch keine nach Geschlechtern getrennten Schonräume. So gesehen ist die Schule ein treffliches Übungsfeld.
    Eine Auswertung von PIS A-Ergebnissen legt die Schlussfolgerung nahe, dass überall dort, wo annähernd Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern erreicht ist, keine Leistungsunterschiede mehr zwischen Jungen und Mädchen bestehen.
    Es gibt Klassen, in denen die leistungsstarken Schüler die schwächeren mitziehen. Häufiger scheint es allerdings eher so zu sein, dass sich die schwächeren Schüler durch die besseren frustriert fühlen und von daher noch weniger Motivation zum Lernen verspüren. Bevor Sie also über die Fünf in der Arbeit Ihres Kindes schimpfen, überlegen Sie zuerst, ob vielleicht die Klassensituation und das Rollenverhalten dort seine Leistung beeinflusst haben können.
    Für schlechte Noten kann es aber auch noch ganz andere Gründe geben. Ein Englischlehrer eines großen Schulzentrums hat in seiner achten Klasse eine merkwürdige Entdeckung gemacht: »Je nachdem, wie ich frage, haben mal mehr, mal weniger Schüler die Hausaufgaben dabei. Will ich wissen, wer die Hausaufgaben gemacht hat, melden sich relativ wenige. Stelle ich anschließend die Frage, wer sie nicht gemacht hat, melden sich wiederum wenige. Von der Logik her ein Unding   – aber die Erklärung ist einfach: Ich vermute, dass sich in dieser Klasse die Schüler nicht trauen zuzugeben, die Hausaufgaben gemacht zu haben. Ein paar Meinungsmacherfinden das nämlich total uncool. Und sie sagen das auch ganz laut.«
    »Du Streber!« überschreibt Klaus Boehnke seinen Beitrag in der Zeitschrift ›Psychologie heute‹ und stellt dort fest: »Über 80   Prozent aller deutschen Mittelstufenschüler benutzen diesen Vorwurf gegenüber Mitschülern zumindest gelegentlich. Es liegt nahe zu vermuten, dass die Mehrheit der nicht so guten Schüler den Strebervorwurf gegen die Minderheit der guten Schüler einsetzt, um diesen klarzumachen, dass gute Leistungen nicht zum Ansehen bei Mitschülern beitragen und Freundschaftsbeziehungen stören. Und dieses Bestreben zeigt Wirkung: Etwa ein Drittel derjenigen, die schon als Streber tituliert worden sind, verspüren regelrecht Angst davor, von anderen Schülern so genannt zu werden.« 11
    Oberwasser hat in manchen Klassen derjenige Schüler, der   – häufig demonstrativ   – sein Desinteresse am Unterricht zeigt, keine Hausaufgaben macht und stolz seine schlechten Klassenarbeiten entgegennimmt   – zumindest nach außen hin. Anhand einer Vergleichsstudie zwischen kanadischen und deutschen Schülern vermutet Klaus Boehnke, dass in Deutschland Schüler, die an sich leistungsstark wären, selbst auf die Leistungsbremse treten, um bei Mitschülern besser angesehen zu sein, während Schüler in Kanada ein grundsätzlich entspannteres und unbefangeneres Verhältnis zu Leistung haben und sie demzufolge auch ungeniert zeigen.
    Die Ursachen für schlechte Noten können vielfältig sein, beim Schüler ebenso liegen wie beim Lehrer, oder auch durch klasseninterne Prozesse verursacht sein, bis hin zum Mobbing (siehe entsprechendes Kapitel).
    Falls Sie die Vermutung haben, dass sich die Noten Ihres Kindes aus dem einfachen Grund verschlechtern, dass es mitseiner Leistung bewusst hinter dem Berg hält, um vor den Mitschülern nicht als Streber dazustehen, so reden Sie mit dem Klassenlehrer. In vielen Fällen ist er dankbar für diese Information, denn er bekommt nicht immer mit, was in der Klasse so alles läuft, vor allem dann, wenn der Gruppendruck ins Negative eher unterschwellig ist.
    »Angst vertreibt die Lust«, stellt Professor Gerald Hüther, einer der führenden deutschen Hirnforscher, in einem Interview der ›Süddeutschen Zeitung‹ fest. Laut diversen Statistiken geht jedes zweite Kind mit Angstgefühlen in die Schule. »Die Suche nach Belohnung und die Lust am eigenen Entdecken werden durch die Angst zu versagen verdrängt. Dass Kinder sich dann verweigern, ist neurowissenschaftlich ein ganz normaler Vorgang. Ständiges Scheitern ist für das Gehirn Dauerstress.« 12
    Auch Sie als Eltern können einiges dazu beitragen, dass die Schulzeit für Ihr Kind nicht zum Horrortrip wird. An den grundlegenden Bedingungen   – Klassensituation, Tests, Klassenarbeiten, Prüfungen   – können Sie zwar wenig ändern. Außerdem wissen Sie ja: Das Leben im Allgemeinen ist keine reine

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