Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern
Zeitraum? Eine völlig verzweifelte Mutter meint dazu in einem Internetforum 1 : »Mein Sohn besucht die fünfte Klasse Gymnasium. Aber ihm ist jeden Tag in der Früh schlecht, er erbricht sogar (in den Ferien nicht). Er war ein guter Schüler auf der Grundschule: nur Einser und Zweier. Und nun in Deutsch: 4,5,6. In Latein: 6,3,5. In Mathe: 5. In Erdkunde: 2. In Natur und Technik: 3,4. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich komm nicht dahinter, was er hat.«
Das Einzige, was klar ist: Das Kind hat Angst. Vor den Klassenkameraden (auch Zehnjährige beherrschen die Mobbing-Klaviatur bereits hervorragend, leider!), den Lehrern, seinen Eltern, einem unausgesprochenen Leistungsdruck etc. Was immer es auch sei: Diesem Kind muss sofort geholfen werden!
Ansprechpartner ist hier natürlich als Erster der Klassenlehrer, dem das Problem geschildert werden muss – ohne irgendetwas zu beschönigen. Drängen Sie auf möglichst rasche Hilfe. Beschwichtigungen wie: »Das wird schon wieder« sind in einem Fall, in dem bereits massive körperliche Beschwerden auftreten, absolut nicht angebracht, denn sie helfen keinen Schritt weiter.
In manchen Fällen wird der Klassenlehrer zu einem Besuch bei einem Schulpsychologen raten. Mein Kind ist doch nicht psychisch krank, denken Eltern vielleicht. Nein, natürlich nicht, aber ein Schulpsychologe ist auch kein Psychiater! Seine Aufgabe besteht (lediglich) darin, bei Schulproblemen Hilfe anzubieten und nach Lösungen aus einer Krisensituation zu suchen. Eltern sollten sich also nicht scheuen, dieses Angebot einer psychologischen Beratung in Anspruch zu nehmen – das ist ihr gutes Recht. Kosten entstehen selbstverständlich dadurch nicht. Daneben gibt es auch die Möglichkeit einer Beratungper E-Mail ( schulpsychologie.de ; auf derselben Internet-Seite finden Sie außerdem noch viele weitere Informationen zu den unterschiedlichsten schulischen Themen).
Auch wenn Eltern und Lehrer nach ausführlicher Beratung zu dem Schluss kommen, dass ein Kind schlichtweg überfordert ist, werden sie sich nicht vorschnell zu einem Wechsel vom Gymnasium auf die Realschule oder Hauptschule entschließen. Wenn aber über einen längeren Zeitraum hin die schlechten Schulleistungen Ihres Kindes das Familienleben beherrschen, wenn Sie das Gefühl haben, die Schule entwickelt sich zu einem Schreckgespenst (für Ihr Kind, aber auch für Sie), und wenn auch Gespräche mit Fachlehrern (und möglichst einem Schulpsychologen) keine Perspektive aufzeigen, dann sollten Sie über einen Schulwechsel nachdenken – zum Wohl Ihres Kindes.
Hängen Sie nicht falschen Vorstellungen nach, sondern versuchen Sie, die Fähigkeiten Ihres Kindes klar und so objektiv wie möglich zu sehen. Sagen Sie nicht: Mein Kind ist nicht fürs Gymnasium geeignet. Sagen Sie vielmehr: Das Gymnasium mit seinen eher theoretischen Anforderungen ist nicht für mein Kind geeignet, denn es hat Fähigkeiten, die es in einer anderen Schulart besser umsetzen kann. Es hat festgestellt, dass die Bedingungen im Gymnasium anders waren als erwartet – und es zieht daraus die Konsequenz, einen anderen, sinnvolleren Weg zu gehen. Das ist sicherlich die bessere und tauglichere Entscheidung, als die nächsten Jahre verzweifelt weiterzukämpfen.
Und falls Sie mit leichtem Schrecken daran denken, was Nachbarn /Verwandte /Bekannte dazu sagen werden: Sie können sicher sein, dass dieses Thema ganz schnell durch ist, vor allem dann, wenn Sie selbstbewusst zu dieser Entscheidung stehen und sich nicht in eine Rechtfertigungsfalle locken lassen.
Außerdem wissen Eltern um die Durchlässigkeit des Schulsystems: Ein Hauptschüler kann zum Beispiel in Baden-Württemberg in den Berufsfachschulen die mittlere Reife ablegen,danach an einem beruflichen Gymnasium das Abitur machen und anschließend studieren. Eine Katastrophe ist eine Rückstufung vom Gymnasium folglich nicht. Wirkliche Katastrophen sehen anders aus.
Mit dieser Einstellung überstehen Sie die nächsten Jahre locker – auch wenn es abwechslungsreich bleibt: Spätestens ab der neunten oder zehnten Klasse wird für Sie nämlich manches einfacher (vieles läuft inzwischen von selber, Ihr Kind regelt Dinge eigenständig, es braucht weniger Hilfe in schulischen Angelegenheiten), manches dafür aber auch schwerer (Sie erkennen, dass jetzt vieles ohne Sie geht. Der Abnabelungsvorgang ist also in vollem Gange). Aber davon sind Sie ja im Moment noch ein gutes Stück entfernt.
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