Haarmanns Kopf
Göttingen.“
Es erfolgte eine weitere Wortmeldung, eine gutaussehende Mittdreißigerin in der ersten Reihe. „Katja Böhlinger vom Gießener Postillion. Heißt das, dass der Tatverdächtige einen Doppelmord begangen hat?“
„Die Untersuchungen laufen noch“, antwortete Martin. „Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir im Moment davon ausgehen.“
Im Saal wurde es unruhig. Das Klicken und Blitzen der Fotokameras vermischte sich mit dem aufbrandenden Stimmengewirr, aber beides verebbte nach kurzer Zeit wieder.
„Meine Damen und Herren“, bat Staatsanwalt Neubert. „Ich darf Sie noch einmal um Ihre Aufmerksamkeit bitten.“
Es trat wieder vollkommene Ruhe ein.
„Herr Venneker möchte Sie über einen weiteren Sachverhalt informieren und Sie gleichzeitig um Ihre Mithilfe bitten“, fuhr Neubert fort. „Bitte, Herr Venneker.“
„Ja, vielen Dank. Dabei geht es darum, dass im Zusammenhang mit den Morden zwei Personen seit Donnerstag spurlos verschwunden sind.“
Martin erklärte den Anwesenden, um wen es sich bei den beiden Vermissten handelte. Am Ende seiner Ausführungen und nach Beantwortung der Fragen wies er darauf hin, dass sich in den ausliegenden Pressemappen – neben einer Beschreibung des aktuellen Ermittlungsstandes – auch Fotos der beiden Gesuchten befanden und bat um deren Verwendung bei der Berichterstattung. Die Öffentlichkeit sollte zur Mithilfe bei der Suche aufgefordert werden.
„Meine Damen und Herren“, sagte Neubert. „Ich möchte Sie noch darüber in Kenntnis setzen, dass wir im Laufe des Tages eine Sonderkommission einrichten werden, die sich mit den beiden Morden beschäftigen wird. In Absprache mit den Landeskriminalämtern Bayern und Niedersachsen wird Herr Venneker zum Leiter der Sonderkommission ernannt. Hier in Göttingen wird die Mordkommission aus einem 15-köpfigen Team bestehen. Außerdem wird in München heute ein 5-köpfiges Team seine Arbeit aufnehmen. Ein Teil der Aufgaben wird selbstverständlich die Suche nach den Vermissten sein.“
„Warum richten Sie eine Sonderkommission ein, wenn Sie davon ausgehen, mit dem Tatverdächtigen den Mörder bereits verhaftet zu haben? Das macht doch keinen Sinn“, rief ein Reporter.
„Das ergibt durchaus Sinn“, sagte Neubert. „Zum einen haben wir noch kein Geständnis, und zum anderen gelten zwei Personen als vermisst. Außerdem gehen wir davon aus, dass der Tatverdächtige Hilfe von einer Person erhielt, die wir noch nicht identifizieren konnten. Aber das Allerwichtigste ist immer noch der Grundsatz in dubio pro reo . Solange nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass es sich bei dem Festgenommenen um den Täter handelt, werden wir unsere Untersuchung und die Ermittlungen nicht abschließen. Daran lässt sich leicht ablesen, wie ernst wir die Sache nehmen.“
„Wieso wird der Fall nicht vom LKA Niedersachsen oder Bayern übernommen? Das fällt doch in deren Zuständigkeitsbereich, oder?“, fragte ein anderer Journalist.
„Weil das LKA nur in herausragenden Fällen die Ermittlungen selbst durchführt. Wir sind davon überzeugt, dass die MoKo, also der Mordkommission, unter der Leitung von Herrn Venneker, den Fall schnell abschließen wird“, antwortete Neubert.
„Stellt das LKA einen Profiler zur Verfügung?“
„Zu Ihrer Frage eine generelle Anmerkung. Fälschlicherweise wird allgemeinhin angenommen, dass die Polizei sogenannte ‚Profiler‘ beschäftigt. Diese kommen allenfalls in Krimis oder amerikanischen Spielfilmen vor. Weder das FBI noch das BKA beschäftigen Profiler. Für die Landeskriminalämter in Deutschland arbeiten circa 80 Fallanalytiker , für das BKA acht. Aber auch e in Fallanalytiker erstellt keine psychologischen Täterprofile, wie ebenfalls fälschlich angenommen wird. Auch fertigt er kein charakteristisches Erscheinungs- und Persönlichkeitsbild eines unbekannten Straftäters an, da dies schlicht und ergreifend nicht möglich ist.“
„Aber Sie haben doch vorhin selbst gesagt, dass Sie davon ausgehen, dass es sich um ein und denselben Täter handelt. Da macht es doch Sinn, eine Fallanalyse durchzuführen.“
„Ich möchte hier keinen wissenschaftlichen Vortrag halten, meine Damen und Herren“, gab Neubert zurück. „Nur zum besseren Verständnis so viel: wir werden selbstverständlich einen Fallanalytiker des LKA zurate ziehen. Seine Aufgabe wird es sein, Schlüsse auf Basis der bisher vorliegenden kriminalistischen Erkenntnisse vorzunehmen und daraus ein Muster zu entwickeln. Nur
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