Haarmanns Kopf
Landes Niedersachsen und bot 308 Inhaftierten Platz. Das Grundstück, auf dem sich die in Rautenform angeordneten Gebäude befanden, grenzte im Westen an ein Umspannwerk und im Norden an die Schnellbahntrasse der Bahn. Die südliche Ansicht zur Gemeinde Rosdorf hin wurde von einem leichten Höhenzug weitgehend verdeckt. Umgeben war der gesamte Komplex von einer 6,50 Meter hohen Mauer. Im Mai 2013 wurde die Anlage um einen Gebäudetrakt erweitert, der mehr als 45 Insassen Platz bot. Die Erweiterung war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im Mai 2011 entschieden hatte, dass sich die Sicherungsverwahrung von Gewalttätern nach Ende der Haft deutlich von der Unterbringung von Häftlingen unterscheiden musste.
Als er mit Yannik die Eingangsschleuse passierte, sagte Martin: „Ironie des Schicksals.“
„Was meinst du?“
„Seit gestern sind hier Zwillingsbrüder untergebracht, die sich seit Jahrzehnten nicht gesehen haben und vielleicht gar nichts voneinander wissen.“
„Hoffentlich werden Sie nicht verwechselt“, lachte Yannik.
Sie wurden bereits am Haupteingang erwartet und folgten einem JVA-Beamten durch einen langen Korridor, bis sie den reservierten Raum am Ende des Gangs erreicht hatten.
Der Verhörraum war mit neuester Technik ausgestattet. In der Mitte ein Tisch mit vier Stühlen, ein Garderobenständer in der Ecke, an der Wand ein semitransparenter Spiegel, darunter ein Sideboard, die Wände und die Decke in schlichtem Weiß und Grau gehalten. In der Mitte des Tisches war ein Mikrofon neben dem Aufnahmegerät platziert.
Zwei uniformierte Beamte hatten Bernhard Dembowski bereits vor einigen Minuten in den Raum geführt und seine Handschellen an einer bogenartigen Vorrichtung auf der Tischplatte befestigt. Einer der Beamten verließ wortlos den Raum, während sich der andere neben der Tür postierte. Martin und Yannik nahmen an der Längsseite des Tisches Platz, gegenüber von Dembowski, dessen Gesicht sich in der dunklen Glasscheibe an der Wand spiegelte.
Martin schlug den mitgebrachten Ordner auf und sagte: „Herr Dembowski, meine Kollegen haben Ihnen ja bereits nach Ihrer Festnahme gesagt, warum Sie hier sind und Sie auch über Ihre Rechte aufgeklärt. Das müssen wir nicht alles wiederholen. Wollen Sie einen Anwalt hinzuziehen?“
Dembowski blickte grimmig und antwortete: „Anwalt? Was soll ich mit einem Anwalt? Ich habe nichts Unrechtes getan.“
„Wir werden dieses Gespräch auf einem Tonträger aufnehmen. Sind Sie damit einverstanden?“, fragte Martin.
Bernhard Dembowski zog nur leicht die Schultern nach oben. „Ist mir egal.“
„Wir gehen davon aus, dass Sie eine Serie von Morden begangen haben, und das auf bestialische Art und Weise. Was sagen Sie dazu?“
Erneut folgte nur ein gelangweiltes Achselzucken des Gefragten.
„Herr Dembowski, Sie würden sich selbst und uns einen großen Gefallen tun, wenn Sie die Fragen beantworten. Also, was sagen Sie zu dem Vorwurf?“
Dembowski schwieg beharrlich, eine halbe Stunde lang. Es war jedoch zu spüren, dass seine Gelassenheit nur gespielt war. Seine Augen zuckten und tanzten hin und her, den Blicken Martins versuchte er auszuweichen.
„Gut, wenn Sie sich nicht äußern wollen, werden wir Ihnen sagen, wie es abgelaufen ist“, erklärte Martin schließlich. „In der letzten Woche sind Sie in der Nacht von Sonntag auf Montag zur Rechtsmedizin Göttingen gefahren und haben sich dort widerrechtlich Zutritt zu den Räumlichkeiten verschafft. Dann haben Sie den diensthabenden Pförtner getötet und den konservierten Kopf des Serienmörders Fritz Haarmann gestohlen. Als Sie dem Pförtner die Kehle durchbissen, wehrte er sich in seinem verzweifelten Todeskampf, verletzte Sie dabei am Kopf und riss Ihnen ein paar Haare aus. Beides, also Hautreste und Haare, fanden sich unter seinen Fingernägeln. Daher stammt übrigens auch die Verletzung auf Ihrem Kopf, wie die gestrige medizinische Untersuchung ergab. Nach Ihrer Tat fuhren Sie zurück in Ihr Haus in Neuhaus und deponierten den Behälter mit Haarmanns Kopf in einer Vitrine in Ihrem Keller. Warum? Was wollten Sie damit?“
Martin machte eine kurze Pause und wartete auf eine Reaktion Dembowskis, doch der spielte nur an einer der beiden Handschellen.
„Am darauffolgenden Tag, also am Dienstag, liehen Sie sich von Ihrem Chef seinen schwarzen Opel Insignia und fuhren damit nach München, wo Sie gegen Mitternacht ankamen. Den Wagen parkten Sie in der Rümannstraße
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