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Haarmanns Kopf

Haarmanns Kopf

Titel: Haarmanns Kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Ebstein
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und gingen zu Fuß zum Haupteingang des Max-Planck-Instituts, das nur wenige hundert Meter entfernt ist. Dabei wurden Sie von einem Anwohner beobachtet. Im Empfangsbereich des Instituts überwältigten Sie auf die gleiche grausame Weise wie bei Ihrem Mord in Göttingen den Pförtner, bissen ihm die Kehle durch und drangen in den Keller des Gebäudes ein. Dort entwendeten Sie einen Behälter, in dem sich vier Gehirnschnitte Fritz Haarmanns befanden. Den Behälter transportierten Sie in einer mitgebrachten Styroporbox. Anschließend fuhren Sie zurück nach Neuhaus. Warum?“
    Bernhard Dembowski starrte auf das Schwarz des ihm gegenüberliegenden Spiegels und sagte kein Wort.
    „Und ab jetzt müssen Sie uns helfen. Denn das, was wir in Ihrem Haus und auf Ihrem Grundstück gefunden haben, sprengt wirklich jede Vorstellungskraft. Sogar die von Kollegen, die über eine ziemlich große Berufserfahrung verfügen. Deshalb die Frage an Sie: Was haben Sie dort veranstaltet? Ein Schlachtfest? Oder was sollte das werden?“
    „Sie haben doch überhaupt keine Ahnung!“, brüllte Dembowski plötzlich los.
    Und auf einmal begann er zu reden. Erst zögerlich und leise, dann schnell und laut. Er erklärte, dass er kein schlechter Mensch sei und sich doch nur selbst verwirklichen wolle. Frei wolle er sein in seinem Denken und Fühlen und sich nicht verstecken müssen und nicht schämen dafür, dass er sie so sehr liebe, die Toten.
    Und dann erzählte er von seiner großen Liebe.
    Fritz Haarmann.
    Haarmann, immer wieder Haarmann.
    Er verehrte ihn wie einen Gott. Seinen Gott. Und das Haupt des Angebeteten war kein Relikt. Wer wagte es, so abfällig darüber zu reden? Nein, das Haupt war eine Reliquie, etwas Heiliges, etwas unsagbar Wertvolles. Ja selbst die Wege und Plätze, auf denen Haarmann einst schritt, seien heilig und müssten mit den Knochen und Schädeln seiner Opfer geschmückt und bekränzt werden.
    Dann berichtete er von den großartigen Eingebungen, die ihn auf den rechten Weg geführt hatten.
    Welches Glück, dass ich einen Freund gefunden habe, sagte er.
    Martin und Yannik dachten zuerst, Dembowski spräche von Haarmann, doch schnell wurde klar, dass es einen weiteren Freund gab.
    Sein Name: Dr. Adrian Jacobsen.
    Ihn hatte das Schicksal vor seine Haustür geführt, er hatte ihn von seinen Ängsten befreit. Durch ihn hatte er gelernt, wie er seine Leidenschaft und seinen Beruf verbinden konnte.
    Dembowski berichtete von den gemeinsamen Besuchen auf Friedhöfen, in Museen, Kirchen, Kapellen und Leichenhallen. Auch von der Ausstellung Körperwelten & Der Zyklus des Lebens in Bochum. Eine Offenbarung sei der Anblick der Plastinate in der Ausstellung für ihn gewesen, berichtete er.
    Es bestand kaum ein Zweifel: Bernhard Dembowski litt unter einer erheblichen psychischen Störung. Doch die Gedanken, die ihn heimsuchten, kamen nicht aus seinem Inneren – es waren Eingebungen von außen, die sein psychotisches Handeln und Erleben verstärkt hatten. Und von wem die Eingebungen stammten, war eindeutig.
    Jacobsen hatte ihm suggeriert, dass es nichts Schlechtes war, seinem tiefen Verlangen und seinem Trieb zu folgen. Er zitierte den Psychiater, der ihm immer wieder eingebläut hatte: „ Es sind nicht die Unterschiede, die uns trennen. Es ist die Unfähigkeit, diese Unterschiede zu erkennen und zu akzeptieren. “
    Nein, er sei kein schlechter Mensch. Er folge nur seinem Vorbild und er glaube seinem Freund. Der sei schließlich Arzt und wisse, wovon er rede.

 
    Das Gespräch mit Bernhard Dembowski zog sich noch einige Zeit hin, doch am Ende war Martin und Yannik klar, dass ihnen nur ein Teilgeständnis vorlag, das nicht viel wert war.
    Über die ermordeten Schröder und Kettner sowie die zahlreichen anderen Opfer hatten sie mit Bernhard Dembowski noch gar nicht gesprochen. Sie hatten seinen Redeschwall nicht unterbrechen wollen und entschieden sich, das Thema auf Montag zu vertagen.
    Bernhard Dembowski wurde zurück in seine Zelle gebracht.
    Der Psychologe, der im Nebenraum das Gespräch durch die Glasscheibe verfolgt hatte, erklärte im Anschluss, dass es sich bei Dembowski um einen hochgradig psychisch gestörten Menschen handelte und dass es weiterer psychologischer Untersuchungen und eines Gutachtens bedurfte, um seine Schuldfähigkeit festzustellen.
    „Wir haben es hier mit jemandem zu tun, der unter Wahnvorstellungen und zugleich nekrophile Neigungen auslebt. In dieser Kombination ist mir das noch nicht

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