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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Klingner
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uns neugierig an, sagen schüchtern »Hallo«, und ich frage mich, was das wohl für Menschen sind, die sich Schuhe selber machen. Ich schaue sie mir genau an und mache zwei verschiedene Typen aus: Die einen sehen bodenständig, anpackend aus, einige mit Cordhosen, viele mit Wollpullis, fast alle mit Waldviertler Schuhen an den Füßen. Auch bei den anderen haben die meisten Waldviertler Schuhe an, aber ihre übrige Kleidung ist farbenfroh, leger, ein bisschen esoterisch.
    Als Kursleiter Toni zu unserer Runde stößt und seine Schuhmacherschüler an einen großen Tisch bittet, wird klar, dass nur die Wollpulli-Cordhosen-Fraktion zum Kurs gehört. Die andere Hälfte der Wartenden hat ein Wochenende zum Thema »Yoga für Faule« vor sich und geht üben.
    Toni bittet uns alle, kurz zu erzählen, wer wir sind und warum wir Schuhe machen wollen. Da ist Helmut, der Goldschmied, der ein Schuhfaible hat. Den Kurs hat er schon vor vier Jahren geschenkt bekommen, aber immer sei dieser entweder schon ausgebucht gewesen oder er selbst habe sich ein Jahr im Voraus angemeldet und es habe terminlich dann doch nicht gepasst. Solche Geschichten werden im Laufe der Vorstellungsrunde mehrfach erzählt – Tonis Schuhmacherkurse sind extrem beliebt und meist ein paar Tage nach Terminveröffentlichung ausgebucht.
    Agnes ist Kindergärtnerin und hat ihre Liebe zu Leder in Thailand entdeckt. Einfache Lederlatschen und Taschen hat sie sich schon selbst genäht, jetzt will sie richtige Schuhe machen. Regina ist Hausfrau und fasziniert von altem Handwerk. Jetzt, da ihre beiden Söhne flügge werden, hat sie der Gedanke gepackt, sie müsse wieder lernen, »in ihren eigenen Schuhen zu gehen«. Gerhards Onkel ist Schuhmacher, als Kind hat er bei ihm schon ein bisschen mitgewerkelt; außerdem hat Gerhard vier Paar Waldviertler zu Hause und will sich das fünfte Paar einfach mal selbst machen. Fritz ist Tischlermeister und bietet in seiner Werkstatt Holzarbeitkurse an. Er sagt, dass dort viele Menschen hinkommen, »weil sie ihr Tagewerk sehen wollen«.
    Alle am Tisch nicken eifrig, und es entspinnt sich eine kleine Diskussion. Es sei doch überhaupt so, dass die Menschen in der heutigen Zeit das Bedürfnis hätten, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen, heißt es von der einen Ecke des Tisches. Von der anderen kommt zurück, in unserer Warengesellschaft entspreche es absolut dem Zeitgeist, wieder einen richtigen Bezug zu den Dingen haben zu wollen. Wäre nicht klar, dass wir für einen Handwerkerkurs hergekommen sind, könnte man uns in diesem Moment auch für eine umstürzlerische Aktivistengruppe halten.
    Hier bin ich richtig. Diese Menschen verstehen mein Experiment.
    Nachdem sich reihum alle vorgestellt haben, machen wir Brotzeit. Wir sollen uns stärken, denn der Abend werde noch lang, kündigt Toni an. Zu Essen gibt es Bauern- und Weißbrot, Käse, Wurst, Kräuterquark, Tomaten und eingelegte Gurken. Im Waldviertel ist es ein bisschen wie in einer Cooperativa: Viele Bauern in der Umgebung haben sich auf ökologische Lebensmittel und Produkte spezialisiert – und um die regionalen Erzeugnisse zu fördern, gibt es die Währung »Waldviertler«. Wie der Chiemgauer ist er eine Tauschwährung für regionale Produkte und Dienstleistungen.
    Ich schmiere mir ein Schwarzbrot mit Kräuterquark und fische mir eine große Gewürzgurke aus dem Glas, und während wir essen, erzählt uns Toni ein bisschen von sich: SeinGroßvater mütterlicherseits war Schuhmacher, und sein Vater hat den passenden Nachnamen mitgebracht. So ist aus Toni der Schuhmacher Schuster geworden. Er stellte Eislaufschuhe her, unter anderem für Norbert Schramm und Katarina Witt. Dann reparierte er eine Zeit lang Schuhe beim österreichischen Bundesheer. Heute macht er etwas ganz anderes: Jungen- und Männerarbeit; darüber hinaus bietet er Ehe- und Familienberatung an. Als Schuhmacher arbeitet Toni, wenn er ein- oder zweimal im Monat einen Kurs für die Waldviertler Werkstatt anbietet.
    Als sich alle sattgegessen haben, gehen wir in den Werksverkauf, um die Schuhmodelle, die wir uns ausgesucht haben, in fertiger Form anzuprobieren – um die Schuhgrößen und – weiten zu überprüfen und später eventuell den Leisten, also den Plastikfuß, an dem wir unsere Schuhe machen werden, etwas modifizieren zu können.
    Ich habe mir ein paar Clogs ausgesucht, die im Waldviertler-Sortiment »Klox« heißen, und stelle beim Anprobieren fest, dass meine übliche Größe 41 ein kleines

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