Hab ich selbst gemacht
nur recht, dass diese Muffins auch gesund sind, dann kann es sie jetzt regelmäßig geben.
Sie schmecken … »wie ein Herbstmorgen in den Bergen«, sage ich zum Mann. Der schaut mich mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck an. Er sagt: »Sie schmecken gut, ja.«
Ich stecke mir den Rest des Muffins in den Mund. Er ist kernig, ein bisschen süß, ein bisschen fruchtig. Mir fällt trotzdem wieder nur der kanadische Wald ein, an den ich beim ersten Bissen gedacht habe. Das Ding hätten die von Leon auch einfach »The Perfect Muffin« nennen können, sie hätten nicht übertrieben.
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Tag 71
Mit Schnupfen und Frau Liebe auf dem Sofa
Ich bin krank. Ich liege zu Hause auf dem Sofa und habe Mitleid mit mir. Und zwar nicht nur, weil ich dröhnende Kopfschmerzen habe, die Nase läuft und das Schlucken schmerzt. Sondern auch, weil ich gerade unter größter Kraftanstrengung einen Brotteig zurechtgeknetet habe. Ich bin so erschöpft, dass ich sogar am Rücken schwitze. Ich habe es nicht leicht. Ich habe es sogar ausgesprochen schwer.
Es ist allein schon anstrengend, daran zu denken, dass ich später noch einen Kuchen fürs Wochenende backen und einen Brotaufstrich zubereiten muss. Ich habe einfach keine Kraft, irgendetwas selber zu machen.
Wie bitte hat das früher auf dem Bauernhof funktioniert?
Ich kann wirklich froh sein, den Mann zu haben. Lebte ich allein, müsste ich hungern. Vielleicht sogar verhungern. Na gut, vielleicht sterbe ich nicht gleich. Aber ich müsste Dosenessen kaufen, und das widerspricht meiner Vorstellung eines Selbermachjahres.
Plötzlich kann ich die Hausfrauen verstehen, die Mitte des letzten Jahrhunderts freudig die Küchenrevolution mit den vielen Maschinchen und Fertigprodukten in ihren Stuben begrüßten. Ich hätte es vielleicht genauso gemacht: hätte dort, wo vorher ein Braten mit Kartoffelklößen und selbst eingemachtem Rotkraut gestanden hatte, einfach mit Maggifix und Dosenerbsen »verfeinertes« Geschnetzeltes gekocht, dazu Reis aus dem Beutel. Und zum Nachtisch hätte ich eine Cremetorte aus dem Tiefkühlregal serviert. Denn das muss eine gewaltige Arbeitsentlastung gewesen sein. Schon jetztstehe ich ja manchen Samstag den halben Tag in der Küche. Angefangen beim frischen Brot fürs Frühstück. Über den Wochenendkuchen, den ich jede Woche backe, um gekaufte Süßigkeiten wenigstens weitestgehend zu ersetzen. Bis zur zeitigen Vorbereitung eines warmen Essens, das ich mir immer öfter aus einem Kochbuch heraussuche, um nicht wie sonst eines unserer zehn Standardgerichte zu kochen. Dafür muss ich meistens noch die Zutaten kaufen – und schon ist mein Samstag weg. Ich mag das trotzdem, so einen Haushaltstag mit Backen und aufwendigem Kochen. Aber nur, weil ich es freiwillig tue. Würden alle Tage so aussehen, hätte ich wohl Depressionen. Und ich hätte vor 50 Jahren auch vor Freude geweint, wenn ich die Kartoffelklöße nicht mehr selbst hätte stampfen, formen und kochen müssen, sondern einfach eine Packung mit Fertigklößen ins kochende Wasser hätte werfen können.
Allerdings war ich nie ein großer Fan von Fertigessen. Das Zeug wurde ja auch nicht erfunden, um mir ein besseres Leben zu bereiten, sondern damit es im Krieg, an der Front, schön lange hält und leicht zuzubereiten ist. Fertigessen ist eine Militärinnovation, habe ich gelesen. Und den Forschern in den Lebensmittellaboren war es vielleicht egal, wie viel Salz oder Trockenfett und Geschmacksstoffe sie in so eine Tube oder Tüte pressen mussten, damit der Inhalt genießbar wurde. So manche Zutatenliste auf den Verpackungen von Fertigessen liest sich heute noch so, als sei sie eine Anleitung für chemische Experimente. Bei der Werbung für Currywurst in der Plastikpackung kämpfe ich jedes Mal mit einem Würgereiz. Doch jetzt, erschöpft, krank, genervt, sehne ich mich nach schneller, anstrengungsfreier Nahrungszufuhr, nach viel Salz und viel Fett.
Und jetzt will ich: Seelachsbrotaufstrich, aus Lachsersatz mit Mayonnaise! Am besten dick auf einem weißen Brötchen, damit »Gesundheit« heute Abend überhaupt kein Thema ist.Ich schreibe dem Mann eine SMS und bestelle Brötchen und Lachszeug.
Schon die Vorfreude auf mein giftiges Abendessen gibt mir ein bisschen Kraft, deswegen rufe ich die beste Freundin an.
»Ich bin krank!«, jammere ich ihr vor. »Mir ist langweilig.«
»Leg dich hin und schlaf!«, sagt die beste Freundin streng.
»Schlafen ist auch langweilig!«
»Was soll ich tun? Ich muss
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