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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Klingner
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Null komma vier Frosttage, das ist ja so gut wie nichts. Eigentlich kann man die Eisheiligen vergessen, sie einfach ignorieren, die meisten Menschen haben einfach nur Schiss, dass nach zwanzig Jahren ohne Eisheilige gerade in diesem Jahr dann doch welche vorbeischauen und all die schönen und in harter Arbeit großgezogenen Gemüsepflanzen umbringen.
    Allerdings: Ich auch. Null komma vier Frosttage sind halt auch nicht null Frosttage. Und: Wie blöd wäre das denn, wenn es gerade in meinem Einstandsjahr als Gärtnerin einen Kälteeinbruch gäbe und meine Pflanzen erfrieren würden? Man würde in der Gärtnergemeinschaft mit dem Finger auf mich zeigen und sagen: Schaut her, genau so macht man’s nicht. Und ich dürfte mir, vermutlich auch öfter als zu ertragen wäre, anhören: »Das weiß doch jedes Kind, dass man auf die Kalte Sophie warten muss!« Nein, danke. Ich werde warten.

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Tag 95
Die Übungshose
    Ich stehe ratlos in meiner Küche und überlege, was ich zum Abendbrot essen soll. Der Mann ist beim Fußball, und für mich allein zu kochen, macht mir ungefähr so viel Spaß, wie die Wohnung zu fegen. Als ich noch allein gelebt habe, gab es bei mir an sehr vielen Abenden Nudeln mit Ketchup und geriebenem Käse. Aber noch nicht einmal Ketchup und Käse haben wir im Haus, der Kühlschrank und die Schublade mit den Vorräten sind schockierend leer.

    Brot ist auch keines mehr da. Aber ich habe überhaupt keine Lust, eines zu backen – das ich dann erst kurz vorm Schlafengehen anschneiden kann. Ich stromere durch die Wohnung, durchwühle Schränke und erkläre nach zwanzig Minuten eine halbe Tüte Erdnussflips und eine Rolle Chips, die noch von einer Runde mit Freunden am Wochenende herumliegen, zu meinem heutigen Abendbrot.
    Da die Essensfrage nun geklärt ist, kann ich mich meinem Plan für diesen Abend widmen: Ich werde mir eine Hose nähen. Eigentlich brauche ich eine richtige Hose, über den Winter sind zwei Stoffhosen durchgescheuert und nicht mehr zu gebrauchen. Aber als Übung und Test will ich mir erst einmal eine Schlafanzughose nähen. Denn eine Schlafanzughose braucht keinen Reißverschluss, keine Taschen, noch nicht mal einen Hosenschlitz.
    Zwei Monate schon liegt neben meinem Bett, ganz oben auf dem Bücherstapel, das Buch »Design-It-Yourself Clothes. Patternmaking Simplified«, das ich mir bestellt hatte, um endlich zu lernen, Schnittmuster selbst anzufertigen. Seitdem habe ich nur ein paarmal kurz darin geblättert. Aber ich habe schon mein Lieblingskapitel entdeckt: »Making Patterns from Existing Clothes« – Schnitte von vorhandenen Klamotten kopieren. Heißt: Die Autorin des Buches, Designerin Cal Patch, erklärt, wie man den Schnitt der Lieblingshose, des Lieblingsshirts oder – kleides abzeichnen kann.
    In dem nur eineinhalb Seiten langen Kapitel liest es sich wie eine praktische, schnelle Art, einen Schnitt herzustellen: Kleidung flach auf ein großes Stück Papier legen, Falten ordentlich glatt streichen, Außenkanten mit einem Stift abzeichnen, innere Kanten mit Nadeln durch den Stoff hindurch auf das Papier übertragen, das heißt: Löcher in das Papier pieksen und diese anschließend mit einem Stift zu Linien verbinden.
    Das klingt einfach.

    Ich falte meine Lieblingsschlafanzughose einmal längs zusammen, zupfe den Schritt sorgfältig nach außen und lege alles auf Zeitungspapier. Ich habe zwei Bögen Papier zusammengeklebt, um die Länge des Hosenbeins auch draufzubekommen. Mit einem Filzstift ziehe ich die Kanten nach und versuche dabei, keine Filzstiftstreifen an der Hose zu hinterlassen. Ich nehme die Schlafanzughose weg und schaue zufrieden auf meinen Schnitt: sieht genauso aus wie das, was ich von Fertigschnittmustern kenne.
    Schnitte haben eigentlich immer unterschiedliche Vorder- und Rückteile, weil Ausschnitt, Länge oder die Kurve des Schritts unterschiedlich sind. Als ich aber jetzt meine Schlafanzughose in die andere Richtung längs falte und probehalber an meinen Papierschnitt anhalte, passt beides genau aufeinander. Perfekt. Dann habe ich jetzt schon meinen Schnitt, werde das Hosenbein einfach vier Mal zuschneiden, zwei Mal auf links, zwei Mal auf rechts.
    Das ging schnell. Ich brauche länger dafür, einen Stoff auszusuchen. In meinem Regal habe ich vier große Bastkörbe voll mit Stoffen und Stoffresten. Ich kann es mir nämlich mehrmals im Jahr nicht verkneifen, durch die Stoffabteilung des örtlichen Kaufhauses zu spazieren, und dann kaufe ich mir den einen

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