Hab ich selbst gemacht
ich nach ihm sah, damit gerechnet, ihn erfroren in sich zusammengesunken vorzufinden. Aber er ist kräftig, hat ja auch die anderen Kürbiszöglinge überlebt. Vermutlich hätte ich ihn auch schon viel eher ganz rauspflanzen können, Frost gab es schon lange keinen mehr, und tagsüber schien immer schön die Sonne. Aber in all den Wochen war es eher ein tägliches Ritual gewesen, das ich lieb gewonnen hatte, am Morgen – noch im Schlafanzug – den Topf rauszustellen und nach Sonnenuntergang wieder reinzuholen. Das war ein bisschen wie Gassigehen mit einem Hund, das muss man auch mindestens zwei Mal am Tag.
Ich packe den Kürbis in eine Kiste, dazu die beiden Tomatenpflanzen, die ich von der Mutter des Mannes bekommen habe, eine Schippe, eine Gartenschere, die Samentütchen, John Seymours »Selbstversorgung aus dem Garten«, und »Alys im Gartenland« quetsche ich auch noch rein.
Der Mann kommt vom Dachboden mit den Plastiktonnen und Keramikschalen, die mir seine Mutter gegeben hat. Den Gartenschlauch hole ich noch aus der Abstellkammer und mache auf dem Weg einen Abstecher ins Bad. Denn draußen schiebt sich gerade die Sonne zwischen den Wolken hervor, ich schmiere mir eilig noch eine Schicht Sonnencreme ins Gesicht und in den Nacken. Für alle Fälle.
Der Mann und ich schleppen die Kübel, Töpfe und Pflanzen rauf aufs Garagendach und müssen alles direkt an der Treppe abstellen. Es ist kein Durchkommen. Der Garagengarten sieht aus wie ein Garagenurwald. Der Frühling hat hier oben zugeschlagen, die Sträucher und vor allem das Unkraut sind in die Höhe geschossen, der Weg schimmert nur noch schwach durch das Grün hindurch, Sträucher und Schlingpflanzen haben sich ineinander verknäult.
Hier muss erst mal Platz für meinen Gemüsegarten gemacht werden. Ich lege mit der Gartenschere los, schneide Äste ab, die auf den Weg hängen, einen nach dem anderen, bis man sich wieder ein paar Zentimeter weiter vorwärtsbewegen kann. »Darf ich mal?«, fragt der Mann und greift nach der Gartenschere, seine Augen funkeln. Die nächste Stunde ist er begeistert damit beschäftigt, dicke Ackerwinden-Arme zu zerschneiden. Ich pule ebenfalls meterlange Lianen aus den Ästen der Wildkirsche, die hier oben steht und die ich in den letzten fünf Jahren, in denen ich hier schon wohne, nicht bemerkt habe. Ich ziehe sie auch aus dem Tümpel, der sich als irgendwann einmal angelegter Teich mit Wasserspiel entpuppt, jetzt aber zugewuchert und verschlammt ist. Als ich den Hausmeister wegen des Wasseranschlusses im Hof ansprach, erzählte er mir, dass der Garten ursprünglich für die Bankmitarbeiter angelegt worden sei, die in unserem Haus vier von fünf Etagen mit ihren Büros belegen. Es habe damals dort oben nicht nur das Wasserspiel gegeben, sondern auch drei Bänke – ein gemütlicher Rückzugsort für gestresste Banker. Dem irgendeine Krise ein Ende bereitet haben muss. Vermutlich wurde aus Kostengründen beschlossen, das Dach sich selbst zu überlassen. Seitdem hat die Natur versucht, den Garagengarten zurückzuerobern. Sie war ziemlich erfolgreich.
Doch ab heute hat sie einen Gegner.
Wir verbringen zwei Stunden damit, des Dickichts Herr zu werden, und nach und nach zeigen sich die ersten Erfolge: Man erkennt unterschiedliche Sträucher, wenn erst einmal die Blätter der Ackerwinde herausgezogen sind. Man kann den kleinen Weg benutzen, ohne über Schlingen zu stolpern. Man wird auf eben diesem Weg nicht mehr von störrischen Ästen und vertrockneten Zweigen angegriffen. Und die Gehwegplatten sind als solche zu erkennen.
Alles, was wir abschneiden, schmeißen wir kurzerhand vom Dach. Als wir beschließen, das mit dem Unkraut für heute gut sein zu lassen, steigen der Mann und ich die 22 Stufen vom Dach herunter und stehen vor einem Riesenberg Gestrüpp. Der in die Mülltonne muss. Mit Stopfen, Biegen, Treten und Schieben kriegen wir das Zeug tatsächlich dort unter, anschließend ist die Mülltonne voll bis oben hin – und zwar eine große, mit Schiebedach, keine kleine mit Deckel.
Wir klopfen uns die Hände an den Hosen ab. »Brauchst du mich noch?«, fragt der Mann. »Danke fürs Helfen!«, sage ich, aber da ist er schon im Haus verschwunden. Ich bin froh, dass er mit angepackt hat, die Aufräumaktion im Garten wäre allein ätzend gewesen, vermutlich hätte ich mir nur den Weg freigeschnitten und die Töpfe einfach mitten ins Gestrüpp gestellt.
Ich schiebe mich wieder die schmalen Metallstufen hoch aufs Garagendach,
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