Hab ich selbst gemacht
dem Dach der Martha Stewart Living Omnimedia, eines börsennotierten Unternehmens, dessen Aktienwert am allerersten Tag um unfassbare 98 Prozent stieg. Und jetzt kommt’s: Martha Stewarts Vermögen wird auf 970 Millionen Dollar geschätzt. Eine wirklich fleißige »Hausfrau«, würde ich sagen. Vielleicht bin ich doch auf dem richtigen Weg mit meinem momentanen Küche-Garten-Handarbeit-Lebensstil.
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Tag 157
Schnipp, schnapp, Haare ab
»Brich dir nicht die Arme«, sagt die beste Freundin zu mir.
Ich stehe im Bad vor dem großen Spiegel, die beste Freundin sitzt auf dem Fensterbrett und schaut mir fasziniert dabei zu, wie ich mir die Haare schneide.
Sie selbst sitzt mit frisch gestutzten Spitzen da. Ich habe sie ihr vorhin geschnitten – immer mal wieder spart sie sich zwischendurch einen Friseurtermin und lässt stattdessen mich ran.
Ich schneide Haare – meine eigenen und die von anderen Menschen, seitdem ich 15 bin. Genau weiß ich nicht mehr, warum ich anfing, auf meinem eigenen Kopf herumzuschnippeln. Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, ob der erste Haarschnitt okay oder grauenvoll aussah. Entweder war das Ergebnis meiner Friseurversuche so unspektakulär, dass ich es gleich wieder vergessen habe – oder so furchterregend, dass ich es verdrängen musste.
Ich glaube, ich wollte einfach eine andere Frisur – vielleicht weil ich in einer Zeitschrift eine gesehen hatte, die mir gefiel –, und zwar sofort und ohne Friseurtermin. Also schnitt ich mir selbst die Haare. Dabei ist es geblieben. Sowohl mit dem grundsätzlichen Selbstschneiden als auch damit, dass der Entschluss, meine Haare zu kürzen, immer noch spontan fällt und dann auch schnell umgesetzt werden muss.
Immer wenn ich Menschen erzähle, dass ich mir die Haare selber schneide, schauen sie mich an, als hätte ich ihnen gerade eröffnet, mir meine Weisheitszähne selbst entfernt zu haben. Dabei kann man das wirklich einfach lernen. Man braucht nur etwas Mut, eine Schwester, die einem völlig vertraut, und den Mumm, eine schiefe Frisur auf dem Kopf als gewollt zu verkaufen.
»Und deine Schwester hat dich einfach so ihre Haare schneiden lassen – ganz am Anfang?«, fragt die beste Freundin.
»Heute wundere ich mich über ihr Vertrauen auch«, sage ich, während ich mir die Haare kämme. »Ich vermute aber, es hatte gar nichts mit Vertrauen zu tun. Ich glaube, ich habe sie einfach erpresst, wie beim Abwasch auch. Ich habe zu ihr gesagt: ›Wenn du das nicht für mich machst, sind wir keine Freundinnen mehr.‹«
»Du bist ein Schwein«, sagt die beste Freundin.
»Ich weiß«, sage ich.
Ich ziehe mit dem Kamm eine Strähne nach der anderen senkrecht über meinen Scheitelpunkt nach oben, was etwas anstrengend ist, weil ich mich leider vor einigen Jahren für lange Haare entschieden habe und deswegen meine Arme immer ganz ausstrecken muss, um die über dem Kopf nach oben gekämmten Haarspitzen noch zu erreichen. Ich halte sie zwischen den Fingern, knicke die Arme ein, um die Hand mit den Haaren vor mein Gesicht zu halten. Die andere Hand, die mit der Schere, schneidet die Spitzen ab. Strähne für Strähne mache ich das und orientiere mich mit jeder an der ersten Strähne oben in der Mitte des Kopfes. So kriege ich automatisch rundherum durchgestufte Haare.
»Die sind aber auch lang geworden«, sagt die beste Freundin.
»Die wachsen rasend schnell, voll anstrengend«, sage ich. Außerdem ist das hier der erste Haarschnitt seit Beginn meines Selbermachjahres. Den letzten hatte ich mir im Herbst des Vorjahres verpasst, seitdem unkrauten die Haare so vor sich hin. Aber irgendwie fehlte mir das Bedürfnis, an meinen Haaren herumzuschnippeln. Das Anfallartige, mit dem ich früher zur Friseurschere griff, schiebe ich deshalb auf die jahrelange Unterbeschäftigung meiner Hände. Tatsächlich ging dem ersten Schnitt in die erste Strähne oft der Gedanke voraus: Ich muss endlich was tun! Was sich vielleicht nicht nur auf meine Frisur bezog, sondern auch auf das Arbeiten mit den Händen. Jetzt, da ich genug anderes mit ihnen mache, hatten die Haare ihre Ruhe.
Lange Haare zu schneiden ist einfach. Als ich noch kurze Haare hatte, habe ich mir sogar Fasson im Nacken geschnitten, das war um einiges anspruchsvoller. Man darf nicht allzu ungelenk sein, und beim Schneiden muss man sich vorstellen, hinter sich zu stehen. Das klingt jetzt vielleicht metaphysisch, aber mit ein bisschen Übung und Fantasie geht das gut.
Außerdem hilft es, alle paar
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