Hab ich selbst gemacht
Oft stehe ich anschließend noch etwas länger in der Küche und setze einen Brotteig an. An anderen Abenden sitze ich an der Nähmaschine, oder ich sitze auf dem Sofa mit Stricknadeln in der Hand. Meine Freizeit verbringe ich mit Gartenarbeit, unterbrochen durch Telefonate mit der Mutter des Mannes, in denen wir uns über Gartenarbeit unterhalten. Wenn trotzdem mal ein Fitzelchen Freizeit übrig bleibt, lese ich in Selbermachbüchern.
Auch diesen Tag verbringe ich wieder im Garten. Am Morgen kaufe ich in dem kleinen Supermark um die Ecke Erde, Rosmarin, Salbei, Pfefferminze und Basilikum – die ich allesamt in größere Gefäße umtopfe. Die Kopfsalat-Jungpflanzen verteilte ich in einzelne Töpfe, damit sie zu großen Köpfen heranwachsen können. Auch oben am Balkon habe ich noch Umtopfarbeiten zu tun: Die Mini-Auberginenpflanze setze ich in einen größeren Tontopf um, genauso wie die beiden Melonenpflanzen und die drei kleinen Fenchel.
So vergeht Stunde um Stunde, in der ich mit den Händen in Pflanzentöpfen stecke.
»Du bist Martha Stewart«, sagt die beste Freundin später am Telefon, als ich ihr erzähle, dass mein Leben irgendwie merkwürdig geworden ist, so häuslich.
Ihr Satz klingt mir den ganzen Abend in den Ohren. Schönen Dank auch, denke ich mir, jetzt bin ich also eine langweilige Zierkissen-aufschüttel-Mutti geworden. Da kann der Trendforscher Matthias Horx hundert Mal im Interview sagen: »In den USA zeigen Rollenmodelle wie Martha Stewart, dass ›homework‹ ein richtiger Designjob ist.« Blabla, Designjob. Ich habe doch einen richtigen Job. Gut, keinen »Designjob«, aber einen Job. Da brauche ich keinen zweiten. Trotzdem stimmt es schon: Wer im Haushalt, Garten oder in der Küche erst einmal Ehrgeiz entwickelt, der kommt nicht mehr zu allzu viel anderem.
Ich jedenfalls war seit Wochen, ach, seit Monaten, nämlich seit dem 3. Februar, nicht mehr im Kino. Ich war kaum mit Freunden aus, höchstens mal auf ein kurzes Bier, weil ich dann wieder nach Hause zum Brotteig musste.
Insofern ist dieser »Designjob«, der »Homework« sein soll, eher eine Alternative zu einem Privat- und Freizeitleben als zu einem normalen Brotjob.
Aber in der Regel macht mir jedes einzelne Projekt wirklich Spaß. Es ist eben einfach etwas anderes als Ausgehen. Produktion statt Konsum. Auch mal schön. Und überhaupt: Vielleicht ist Martha Stewart ja auch cool. Und ich sollte die Bemerkung der Freundin einfach als Kompliment auffassen. Der Name Martha Stewart sagte mir bisher nur so viel: Synonym für »kreative, perfektionistische, vor allem aber Vollzeit-Hausfrau«.
Auf ihrer Webseite sieht es jedenfalls aus, als könnte man auch den letzten und kleinsten Winkel des Lebens selbst verschönern oder gleich ganz selber machen, denke ich, als ich am Computer sitze und mir das mal anschaue: Man findet dort Tipps, wie man seinen Kleiderschrank organisiert, wie man preiswert kocht, für die schönsten Hochzeitstorten, eine Auswahl der besten Gartenhelfer, Tricks, wie man streifenfrei Fenster putzt, die harmonischsten Farben für das Schlafzimmer aussucht und die passenden Gardinen gleich dazu. Wer will, kann dann weiterklicken zur Anleitung, wie man sie ganz einfach selber näht. Eine Rubrik weiter erfährt man, wie man einen Hund adoptiert. Man kann sich per E-Mail das »Craft of the day« zuschicken lassen und lernt dann zum Beispiel, wie man ein kleines Filzetui für Taschentuchpackungen herstellt. Und eine Fantastilliarde Sachen mehr. Das alles – diese unendlich vielen Tipps und Tricks und Anleitungen und Rezepte und How-to-Listen und Produkttests und Bastelideen – ist seeehr hübsch, sehr nett, sehr pastellfarben. Alles so, wie man sich ein Magazin vorstellt, das von Brigitte – Redakteurinnen auf Entspannungsdrogen gemacht wurde. Wer dem nacheifert, hat tatsächlich den Fulltime-Job, von dem Trend-Horx spricht.
Aber, so unvorstellbar es klingt, »Amerikas beste Hausfrau« ist nicht wirklich eine Hausfrau, sondern eine Magnatin: Die Frau hat ein Imperium auf Haushalts- und Gestaltungstipps aufgebaut. Sie gibt zwei Zeitschriften heraus mit einer Auflage von über zwei Millionen Exemplaren. Sie hatte schon eine eigene Kabel- TV – Sendung, hat vierzig Bücher geschrieben, unter anderem übers Putzen und die richtige Haushaltsführung, sie schreibt die Zeitungskolumne »Frag Martha«, hat eine eigene Radioshow, einen lukrativen Internetshop und verkauft millionenfach ihre Produkte. Das Ganze passiert unter
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