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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Klingner
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Super-Pürierstab in beide Schüsseln, bis ein feines Gehäcksle entstanden ist, das unsere Küche wie ein Kräuter-Versuchslabor riechen lässt. 24 Stunden müssen die Schüsseln jetzt erst einmal abgedeckt stehen bleiben, dann kann ich morgen kochendes Wasser aufschütten, die Masse 15 Minuten kochen lassen und den Sirup durch ein feines Sieb in die Einmachflaschen füllen.
    Draußen scheint die Sonne. Eigentlich sollte ich raus, mich an die Isar legen, ein Buch lesen. Aber genauso eigentlich sollte ich mich heute an meine Hose setzen, sie endlich weiternähen. Aber eigentlich sollte ich das an jedem Wochenende tun. Und je öfter ich diesen Plan verschiebe, desto weniger Lust habe ich auf die Hose. Mein Plan für heute ist ein anderer: Ich werde mich an den Balkon setzen, um trotz Selbermachplänen ein bisschen was vom schönen Wetter abzubekommen. Und dort werde ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas Richtiges stricken. Einen Pullover.

    Ich habe in einem Selbermach-Blog einen Kurzarmpulli gesehen, der offenbar mehr oder weniger aus zwei Trapezen, also dem Vorder- und dem Rückenteil, besteht.
    So schwer kann das doch nicht sein, denke ich mir. Und in Hinblick darauf, dass in vier Monaten Winteranfang ist, sollte ich lieber jetzt schon mal anfangen.
    An den kommenden Wochenenden werde ich genug Zeit haben, denn die Gartensaison ist leider so gut wie vorbei. Jetzt schon, Ende August. Ich bin selbst ganz erstaunt. Aber alle Zucchini- und Kürbispflanzen sind eingegangen – all das Ansprühen gegen den Mehltau hat nichts genutzt. Eine Tomatenpflanze ist bei einem Regensturm abgeknickt und hat anschließend die Tomatenproduktion eingestellt. An der anderen Tomatenpflanze hängen ein paar letzte kleine Früchte. Im Garten stehen jetzt nur noch die zwei Kartoffelsäcke. Das Grün der Pflanzen ist noch kräftig; es wird noch eine Weile dauern, bis es verdorrt und die Kartoffeln ausgegraben werden können.
    Oben am Balkon sieht es nicht viel anders aus: Den Salbei haben sich ja die Raupen geholt, der Fenchel ist genauso wie der Kopfsalat ins Kraut geschossen. All die langen spindeldürren und ungenießbaren Pflanzen musste ich entsorgen. Bleibt die Aubergine: Die hat zwar gerade angefangen zu blühen – und wie! Wunderschöne, zarte helllila Blüten, die ich gleich begeistert dem Mann zeigen musste, als ich sie entdeckt habe. Aber die Sonne wird nicht mehr genug scheinen, damit daraus auch Früchte werden. So eine Aubergine ist ein empfindsames Wesen, das unter 16 Grad nicht einmal darüber nachdenkt zu wachsen. Deswegen hat die Pflanze viel zu spät losgelegt und wird das nicht mehr aufholen.
    Jedenfalls eröffnet mir der verblühende Garten ganz neue Möglichkeiten für meine Wochenenden, und ich fühle mich beinahe überfordert, wenn ich daran denke, was ich jetzt alles machen könnte! Mir fallen die Schnittmuster ein, die ichnoch lernen wollte selbst zu machen. Dann das Stricken. Ich könnte aber auch weiter mit Seifenrezepten rumexperimentieren oder mit verschiedenen Kosmetika. Oder ich backe mich jetzt endgültig durch mein dickes Brotbackbuch hindurch und probiere doch noch mal etwas anderes als das no-knead bread. Aus jedem einzelnen Hobby könnte man ein eigenes Selbermachjahr machen und hätte immer genug zu tun. Genauso wie sich Julie Powell im Film »Julie & Julia« einmal quer durch Julia Childs »Mastering the Art of French Cooking« kocht – innerhalb eines Jahres.
    Jedenfalls stelle ich fest: Nach diesem Jahr sollte ich mich für zwei Hobbys entscheiden. Mehr kann niemand befriedigend verfolgen. Klar, hier ein bisschen stricken, da am Fenster eine Tomate großziehen und ab und zu mal ein Täschchen für jemanden zum Geburtstag nähen, das würde schon gehen. Aber es würde mich auf Dauer nicht glücklich machen. Wenn ich mich fürs Stricken entscheide, will ich irgendwann auch richtig komplizierte Sachen stricken können. Wenn ich mich fürs Nähen entscheide, will ich endlich auch mal einen eigenen Entwurf umsetzen. Wenn ich den Garten behalten könnte, will ich, dass auch die Zucchini und Kürbisse überleben, egal, wie fies das Wetter ist.
    Aber für heute habe ich mich ja sowieso fürs Stricken entschieden. Da stehe ich eh noch ganz am Anfang. Ich kann noch nicht einmal Strickanleitungen lesen. Das heißt: Ich muss eine neue Fremdsprache lernen. So kommt mir die englische Strickanleitung nämlich vor: wie eine neue Sprache. Die Anleitung für die Mütze, die ich mir im Frühjahr gestrickt habe,

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