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Hab keine Angst, mein Maedchen

Hab keine Angst, mein Maedchen

Titel: Hab keine Angst, mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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Sonst hätte der Schmerz mich wahrscheinlich umgebracht.
    Ach, mein liebes Kind, du musst dich sehr alleingelassen gefühlt haben. Das tut mir immer, wenn ich daran denke, unendlich leid und weh. Aber ich kann es im Nachhinein nicht mehr ändern. Wie du weißt, hält das Leben keine Generalprobe für uns parat. Es ist alles gleich die Premiere.
    In dieser völlig gefühlsverwirrten Zeit lernte ich Steve kennen. Ich habe nicht im Traum an eine neue Beziehung zu einem Mann gedacht, das musst du mir glauben. Es ist einfach passiert. Steve war so fürsorglich, so humorvoll. Mit ihm war plötzlich alles leichter. Er hat mich durch sein Lachen in das Leben zurückgeführt. Und ich habe mich in seine Arme geworfen. Ohne nachzudenken einfach seine Liebe genossen. Ähnlich ausgehungert, wie man sich nach einem langen Winter über den ersten Sonnentag freut. Man reckt sich der Sonne entgegen und denkt nicht daran, sich vor einem Sonnenbrand zu schützen. Man will nur die Wärme auf der Haut spüren, die so guttut.
    Ich will jetzt, wo ich endlich anfange, mit dir über meine Gefühle zu sprechen, keine neue Nische zum Verstecken schaffen. Ich gebe zu, dass ich in der Zeit wenig an deine kleine Seele gedacht habe. Ich habe überhaupt nicht nachgedacht. Mein Verhalten ist für mich aus der heutigen Sicht, nein, schon lange, nicht mehr nachzuempfinden. Aber zu dem Zeitpunkt habe ich als Mutter versagt. Es ist nun deine Entscheidung, ob du mir das verzeihen kannst.
    Schon nach zwei Monaten war ich von Steve schwanger. Das hat mich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. In meinem Liebesrausch habe ich noch nicht einmal an Verhütung gedacht. Vielleicht, weil ich das erste Mal so schwer schwanger geworden bin. Ich war nicht bereit, für einen weiteren Menschen Verantwortung zu übernehmen. Ich hatte sie seit dem Tod meines Mannes nicht einmal für dich und mich tragen können. Und nun ein zweites Kind?
    Die ersten Schwangerschaftswochen habe ich nur gelitten. Ich habe heimlich gehofft, dass ich eine Fehlgeburt erleide und mich körperlich nicht geschont. Ich habe sogar Holz gehackt und im Garten bis zur Erschöpfung geschuftet. Nichts. Das Baby ist in seinem Nest sitzen geblieben. Ich habe sogar mit dem Gedanken gespielt, Lilly um Hilfe zu bitten.
    Ich habe der Versuchung widerstanden, und Lilly hat mich nicht angesprochen, obwohl sie meine Zweifel mit Sicherheit gespürt hat.
    Steve dagegen freute sich auf den Nachwuchs. Er hatte keinerlei Bindungsängste, obwohl wir uns erst so kurz kannten. Er wiederholte wie ein Mantra: Wir schaffen das. Du und ich und Michelle.
    Steve hat dich gedanklich immer mit eingebunden. Das hat mir sehr gefallen. Und ganz langsam begann ich ihm zu glauben. Eine Familie, habe ich gedacht. Wir sind wieder eine richtige Familie.
    Erst als ich dir in der Küche gegenübersaß und dir erzählt habe, ich bin schwanger, da wurde mir die Tragweite meiner Entscheidung bewusst. Du weißt es vielleicht noch. Ich habe für uns beide eine heiße Schokolade zubereitet und ich habe mich unsinnigerweise auf diesen Augenblick gefreut. Aber als ich in dein Gesicht sah, wusste ich, was du denkst: Deine Mutter würde knapp ein Jahr nach dem Tod deines Vaters wieder heiraten und ein neues Kind bekommen.
    Du hast dementsprechend reagiert und dich wütend von mir zurückgezogen. Mehr noch. Du hast mich sogar ein Stück weit gehasst. Ich habe es gespürt, und das hat wehgetan. Aber je intensiver ich versucht habe, dich zurückzugewinnen, desto mehr hast du dich abgekapselt. Deshalb habe auf den Lauf der Zeit gesetzt und dich in Ruhe gelassen und nur auf dich gewartet. Dieses Verhalten hast du leider als Gleichgültigkeit interpretiert.
    Als Lena geboren wurde, war ich glücklich. Ja, glücklich. Das will ich auch nicht verleugnen. Sie hat es uns so leicht gemacht, sie zu lieben. Sie hat schnell durchgeschlafen, war stets gut gelaunt und selten krank. Wenn sie im Raum war, ging es allen Anwesenden besser. Nur dir nicht.
    Ja, Lena war ein Sonnenschein, ein Engelchen, aber: Ich habe sie nie mehr geliebt als dich. Vielleicht war es eher umgekehrt, denn ich hatte immer ein wenig Sehnsucht nach dir.
    Ich komme nun zu unserem wundesten Punkt. Als das Unglück geschah, konnte ich nicht darüber sprechen. Ich war wie verstummt. Als ich so weit war und Worte gefunden hätte, hast du kein Gespräch mehr zugelassen. Nie mehr. Du weißt, worum es geht.
    Die Nacht zu deinem 15. Geburtstag. Sie hat uns beiden einen grausamen

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