Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
Vom Netzwerk:
weder kochen noch tauchen, kannten keinen einzigen Fisch mit Namen und kein Rezept für Leberknödel oder Schweinshaxen. Cord war aber schon zweimal in Südostasien gewesen und schwärmte davon. Er hatte eine abgebrochene Schreinerlehre hinter sich, lebte von gelegentlicher Schwarzarbeit, dealte auch ein bisschen und war alles in allem ein Kumpel, mit dem man Pferde stehlen konnte. Ich hatte gerade das Abitur bestanden, war aber noch reichlich grün hinter den Ohren. Eigentlich wollte ich ja zur Polizei, aber Thailand war natürlich viel spannender. Das nötige Geld für die Existenzgründung wollte ich unbedingt durch einen hirnrissigen Coup beschaffen. Für Cord war mein Plan eigentlich eine Nummer zu groß, aber er konnte mir nichts abschlagen. Er wusste, dass ein Banküberfall kein Kinderspiel war, und versuchte, mir diesen Wahnsinn auszureden. Aber gerade seine Einwände forderten meinen Trotz heraus.«
    »Judith, sag jetzt bloß nicht, dass du seine Gangsterbraut warst… Schieß los, habt ihr euch etwa erwischen lassen?«
    »Wir haben uns beide verkleidet, ganz in Schwarz mit Strumpfmaske, so wie man es aus dem Fernsehen kennt. Vor lauter Schiss brachte ich keinen Ton heraus, doch Cord brüllte: Kohle her, oder es kracht! Aber die Kassiererin sagte bloß: Kinder, lasst doch diesen Quatsch. Haut lieber ab, bevor die Polizei kommt! Der Hausmeister hatte uns nämlich bereits durch ein Klofenster gesichtet, als wir uns vor der kleinen Sparkassenfiliale noch die Masken überzogen. Wir bekamen Panik, liefen wieder raus und der Polizei direkt in die Arme.«
    »Euer Glück, dass es in die Hose gegangen ist«, meinte ich.
    Doch Judith machte eine heftige, abwehrende Handbewegung. »Cord hatte leider eine Waffe bei sich, die war sein Verderben. Ganz der Beschützer, nahm er alle Schuld auf sich. Er behauptete, mich überredet zu haben, obwohl es genau umgekehrt war. Und zu allem Überfluss war Cord bereits wegen Dealerei vorbestraft. Er bekam wegen versuchter räuberischer Erpressung fünf Jahre aufgebrummt, ich dagegen nur eine Jugendstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Immerhin musste ich im Park des Städtischen Altenheims drei Monate lang die Wege kehren, oder ich musste Dienstwagen putzen.«
    »Und? Hat Cord die vollen fünf Jahre abgesessen?«
    »Nein, aber vier. Anfangs habe ich ihn noch oft im Knast besucht, bald aber hatte ich einen neuen Freund. Als er entlassen wurde, wohnte er eine Zeitlang bei mir, aber mit der früheren Leidenschaft war es vorbei. Leider hängt er immer noch wie eine Klette an mir, hat wohl sonst niemanden, der zu ihm hält.«
    »Mir kommen die Tränen! Soll ich etwa Mitleid heucheln? Judith, ich konnte ihn schon bei der ersten Begegnung nicht ausstehen. Du hast wirklich einen Besseren verdient!«
    »Er hat es von Geburt an schwer gehabt.«
    »So ging es vielen, und trotzdem sind sie nicht kriminell geworden…«
    Judith lachte laut auf. »Jetzt mach aber mal halblang! Wie heißt es im Sprichwort? Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.«
    Ich ärgerte mich, denn sie hatte ja recht. Doch so leicht ließ ich mich nicht abwimmeln. »Schlaft ihr etwa noch miteinander?«, hakte ich nach.
    »Eigentlich nicht«, sagte Judith.
    »Mit anderen Worten: manchmal schon!«
    Nicht nur ich war gereizt, auch ihr Ton wurde zusehends schärfer. »Karla, erstens geht dich das nichts an, und zweitens checkst du so manches nicht mehr richtig. Du lebst seit Jahren wie eine Nonne und kannst dir gar nicht mehr vorstellen, was es heißt, jung zu sein…«
    Nun wurde ich richtig sauer. Wenn man mir mein Alter vorwirft oder gar eine moralinsaure Gesinnung, dann reagiere ich beleidigt. »Ich bin froh, wenn du morgen wieder arbeiten gehst«, versetzte ich und verließ den Raum.
    Meinen Ärger ließ ich an Bernadettes Kleiderschrank aus. Stück für Stück ihrer zeltartigen Gewänder stopfte ich in einen blauen Müllsack, denn ich brauchte dringend Platz für meine eigenen Sachen. Als ich meine Beute zur Mülltonne bringen wollte, kamen mir allerdings Bedenken. Frau Altmann lauerte sicherlich am Fenster und machte sich ihren eigenen Reim auf meine Tat, würde womöglich den Deckel heimlich lüften und ins Grübeln kommen. Ihrer Meinung nach gehörte ja das Haus mit sämtlichem Inventar der Qualle. Also beschloss ich, den Sack bei Nacht und Nebel in einem öffentlichen Altkleider-Container zu entsorgen, und sortierte erst mal weiter. In der Tasche eines potthässlichen rosa Morgenrocks entdeckte

Weitere Kostenlose Bücher