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Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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einen schmierigen Putzlappen.
    Ärgerlich sagte ich: »Ihr schwerkranker Onkel kam schon lange nicht mehr allein zurecht. Ich bin eine ehemalige Kollegin und gute Freundin, die er in seiner Not um Hilfe gebeten hat, denn er wollte unter keinen Umständen in ein Krankenhaus eingewiesen werden. Also habe ich ihn gepflegt, für ihn gekocht, seine Wäsche gewaschen, geputzt und eingekauft, habe sein Bett ins Erdgeschoss geschleppt und ihm hier unten ein Schlafzimmer eingerichtet, weil er keine Treppen mehr steigen konnte. Auch sonst habe ich mich Tag für Tag bemüht, ihm seine letzten Wünsche zu erfüllen.«
    »Dafür werde ich mich natürlich erkenntlich zeigen«, sagte die Qualle. »Sie dürfen sich gern ein Erinnerungsstück aussuchen, zum Beispiel den schönen Biedermeier-Sekretär, an dem er so hing.«
    »Wolfram hat ein Testament hinterlassen«, sagte ich. »Er hat mir versprochen, mich für meine Leistungen großzügig zu entschädigen und auch genügend Bargeld für die Beerdigung und das Grab bereitzustellen. Bevor Sie mir also ein Möbelstück anbieten, sollten Sie erst einmal in Erfahrung bringen, was er selbst angeordnet hat. Zum Beispiel erwähnte er ein Heidelberger Hospiz, das er ebenfalls berücksichtigen wollte.«
    »Ein Testament? Wo ist es? Was steht drin?«, fragte sie, offenbar beunruhigt.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Es befand sich in einem verschlossenen Umschlag, und ich habe es auf Anraten seines Rechtsanwaltes direkt an das Nachlassgericht geschickt. Sie werden sich wohl oder übel gedulden müssen, solche Ämter sind chronisch überlastet, es könne, wie es hieß, bis zu einem Jahr dauern, bis der Erbschein ausgestellt wird.«
    »Warum haben Sie den Umschlag nicht geöffnet, wenn Sie mit einem Erbe rechnen?«
    »Das hätte ich nie gewagt!«
    »Ich werde mich noch heute persönlich beim Amtsgericht erkundigen«, sagte Sabrina. »Ich hoffe, Sie haben Ihre eigene Wohnung nicht aufgegeben, denn ich werde dieses Haus lieber früher als später verkaufen. Sie können von mir aus noch ein paar Tage hier wohnen bleiben, aber dann gebe ich es schon einmal zur Besichtigung frei.«
    »Es war der Wunsch Ihres Onkels, dass ich hier einziehe. Außerdem hat er mich gebeten, für die Inschrift auf seinem Grabstein zu sorgen. Bis das alles erledigt ist, kann ich nicht fort«, sagte ich und überlegte fieberhaft, ob ich arglos und höflich oder aggressiv und fordernd auftreten sollte. Auf keinen Fall durfte ich mir anmerken lassen, dass niemand den Inhalt des Testaments besser kannte als ich. Und ich war richtig stolz auf mich, dass ich bei meiner Fälschung dem besagten Hospiz zweitausend Euro spendiert hatte.
    Doch schon entgegnete die Qualle: »Ist zwar gut gemeint, aber als nächste Angehörige ist es an mir, die nötigen Formalitäten zu erledigen. Ihre Anwesenheit ist nicht länger erforderlich. Sie brauchen sich also nicht mehr damit abzuquälen. Und jetzt gehe ich mal die Räume inspizieren.« Sie stand auf. »Vor allem das oberste Geschoss, das ich seit Jahren nicht mehr betreten habe.«
    »Das ist abgeschlossen«, sagte ich. »Der Schlüssel fehlt. Im Übrigen habe ich in zehn Minuten einen Termin beim Frauen- TÜV , ich bitte Sie, jetzt das Haus zu verlassen.«
    »Sie können ruhig zum Arzt«, sagte sie. »Ich bleibe noch ein bisschen hier, wandere durch die Zimmer und schwelge in Erinnerungen an meine skurrilen Verwandten und faulen Ferientage in Tante Dettes Garten. Der macht allerdings einen ziemlich verwilderten Eindruck, da müsste dringend ein Profi ran…« Und schon öffnete sie die Terrassentür, trat nach draußen in die warme Sommerluft und beäugte missbilligend die wuchernden Brennnesseln, Disteln und Hundskamillen. Bellablock drängte sich an uns vorbei, flitzte kreuz und quer durch das hohe Gras und begann, mit großer Inbrunst unter der düsteren Tanne zu buddeln. Wie werde ich sie und ihren Köter nur los, dachte ich verzweifelt.
    In diesem Augenblick schaute Frau Altmann aus dem Fenster und kam mir unfreiwillig zu Hilfe. Sie winkte heftig, betrat kurz darauf den eigenen Garten, zwängte sich durch die Ligusterhecke, schüttelte der Qualle ausgiebig die Hand, plapperte pausenlos auf sie ein und lotste sie auf eine Bank im Nachbargarten.
    In Windeseile verschloss ich sämtliche Türen, rannte Hals über Kopf zum Auto und brauste davon, auch wenn ich wusste, dass Aussperren keine Dauerlösung war.
    In meiner alten Wohnung roch es muffig, ich musste erst einmal lüften. Dann wurde

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