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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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gesteuert, und als es Tageslicht wurde, hatte er den Nigger zwischen den Säcken in der Mitte des Cockpits liegen sehen, aber dann hatte er den Seegang beobachtet und den Kompaß und nach dem Leuchtturm von Sand Key Umschau gehalten, und er hatte nicht recht bemerkt, wie alles war. Es war schlimm.
    Der Nigger lag mitten in der in Säcke gepackten Spritladung, mit dem Bein hoch. Im Cockpit waren acht stark aufgesplitterte Kugeleinschläge. Das Glas im Windschutz war zerbrochen. Er wußte nicht, wieviel Sprit ihm kaputtgegangen war, und wo der Nigger nicht hingeblutet hatte, da hatte er selbst hingeblutet. Aber das Schlimmste war, so wie er sich in dem Moment fühlte, der Spritgeruch. Alles war davon durchtränkt. Jetzt lag das Boot ruhig zwischen den Mangroven, aber er spürte immer noch die Bewegung des hohen Seegangs, in dem sie die ganze Nacht lang im Golf gewesen waren.
    «Ich werde gehen und Kaffee machen», sagte er zu dem Nigger. «Dann werde ich dich neu verbinden.»
    «Ich will keinen Kaffee nicht.»
    «Aber ich», sagte der Mann zu ihm. Aber unten fühlte er sich plötzlich schwindlig, also kam er wieder auf Deck.
    «Es wird wohl doch keinen Kaffee geben», sagte er.
    «Ich will Wasser haben.»
    «Schön.»
    Er gab dem Neger eine Tasse Wasser aus einem der Demijohns.
    «Wozu mußtest du denn immer weitermachen, wo die anfingen zu schießen?»
    «Wozu mußten die denn schießen?» antwortete der Mann.
    «Ich brauch einen Arzt», sagte der Nigger zu ihm.
    «Was kann denn ein Arzt tun, was ich nicht schon für dich getan habe?»
    «Ein Arzt wird mich gesund machen.»
    «Heute nacht kriegst du einen Arzt, wenn das Boot herauskommt.»
    «Ich will nicht auf das Boot warten.»
    «Schön», sagte der Mann. «Jetzt wollen wir den Sprit versenken.»
    Er begann den Schnaps über Bord zu werfen, und es war schwere Arbeit so mit einer Hand. Ein Sack mit Sprit wiegt nur 40 Pfund, aber er hatte noch nicht viele versenkt, als ihm wieder schwindlig wurde. Er setzte sich im Cockpit hin, und dann legte er sich lang.
    «Du bringst dich noch um», sagte der Nigger.
    Der Mann lag still mit dem Kopf gegen einen der Säcke im Cockpit. Die Zweige der Mangroven hingen ins Cockpit und warfen ihren Schatten auf ihn, wo er lag. Er konnte den Wind über den Mangroven hören, und als er in den hohen, kalten Himmel blickte, sah er die zerwehten Wolken des Nordwinds.
    Bei dem Wind wird niemand herauskommen, dachte er. Die werden nicht nach uns suchen; die denken, daß wir, wo’s so weht, gar nicht ausgelaufen sind.
    «Glaubst du, daß die rauskommen?» fragte der Nigger.
    «Gewiß», sagte der Mann. «Warum nicht?»
    «Es stürmt zu doll.»
    «Die werden uns suchen.»
    «Nicht, wenn’s so ist. Wozu willst du mir was vorlügen?»
    Der Nigger sprach mit dem Mund beinahe gegen einen Sack.
    «Immer mit der Ruhe, Wesley», sagte der Mann zu ihm.
    «Immer mit der Ruhe, sagt der Mann», fuhr der Nigger fort. «Immer mit der Ruhe; was denn? Soll ich immer mit der Ruhe wie ein Hund verrecken? Du hast mir das eingebrockt. Jetzt hilf mir auch heraus.»
    «Immer mit der Ruhe», sagte der Mann freundlich.
    «Die kommen nicht», sagte der Nigger. «Ich weiß, die kommen nicht. Mir ist kalt, sag ich dir. Ich kann die Schmerzen und die Kälte nicht aushalten, sag ich dir.»
    Der Mann setzte sich auf; er fühlte sich ausgehöhlt und torkelig. Die Augen des Niggers beobachteten ihn, als er sich auf einem Knie aufrichtete; sein rechter Arm baumelte herunter; er nahm die Hand von seinem rechten Arm in die linke Hand und steckte sie zwischen die Knie, und dann zog er sich an der Planke, die über dem Dollbord angenagelt war, hoch, bis er stand, sah hinunter, hinunter auf den Nigger, mit der rechten Hand immer noch zwischen den Oberschenkeln. Er dachte, bis jetzt hab ich noch niemals richtige Schmerzen gehabt.
    «Wenn ich sie geradeaus lasse, geradeaus, lang ausgestreckt, tut es nicht so weh», sagte er.
    «Ich werd sie mit einer Schlinge hochbinden», sagte der Nigger.
    «Ich kann den Ellbogen nicht beugen», sagte der Mann, «er ist steif geworden.»
    «Was werden wir machen?»
    «Den Sprit versenken», sagte der Mann zu ihm. «Kannst du nicht das, wo du rankommst, über Bord fallen lassen, Wesley?»
    Der Nigger versuchte sich zu bewegen, um einen Sack zu fassen zu kriegen, dann stöhnte er und legte sich wieder hin.
    «Hast du so arge Schmerzen, Wesley?»
    «O Gott», sagte der Nigger.
    «Du glaubst nicht, daß es dir, wenn du’s erst mal bewegst, nicht

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