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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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bist nicht so schlimm verwundet. Mach dir man keine Sorgen.»
    «Ich bin verwundet», sagte er. «Ich bin noch niemals vorher verwundet gewesen. Es ist schlimm, egal, ob ich schwer oder leicht verwundet bin.»
    «Du hast’s einfach mit der Angst.»
    «O nein. Ich bin verwundet. Und es tut mir verdammt weh. Es hat die ganze Nacht über gepuckert.»
    Der Nigger maulte unentwegt so weiter, er nahm dauernd den Verband ab, um sich’s anzusehen.
    «Laß es in Ruhe», sagte der Mann am Steuer zu ihm.
    Der Nigger lag auf dem Boden im Cockpit, und überall häuften sich wie Schinken geformte Säcke mit Sprit. Er hatte sich zwischen ihnen einen Platz zum Hinlegen gemacht. Jedesmal wenn er sich bewegte, hörte man das Geräusch von zerbrochenem Glas in den Säcken, und überall war der Geruch von verschüttetem Sprit. Der Sprit hatte alles überschwemmt. Der Mann steuerte jetzt landwärts auf Woman Key zu. Jetzt konnte er es deutlich sehen.
    «Es tut mir weh», sagte der Nigger. «Es wird immer schlimmer.»
    «Tut mir leid, Wesley», sagte der Mann. «Aber ich muß steuern.»
    «Du behandelst einen Menschen nicht besser als einen Hund», sagte der Nigger. Jetzt wurde er giftig. Aber er tat dem Mann immer noch leid.
    «Ich mach’s dir nachher bequem, Wesley», sagte er, «lieg du man jetzt still.»
    «Ist dir ganz egal, was einem passiert», sagte der Nigger. «Du bist ja kaum noch ein Mensch.»
    «Ich werd dich nachher ordentlich verbinden», sagte der Mann. «Lieg du nur still.»
    «Du wirst mich nicht nachher verbinden», sagte der Nigger.
    Der Mann, der Harry Morgan hieß, sagte nichts darauf, weil er den Nigger mochte, und er jetzt nichts tun konnte, als ihm eine reinhauen, und er konnte ihm keine reinhauen.
    Der Nigger quasselte weiter. «Warum haben wir nicht beigedreht, als sie mit Schießen anfingen?»
    Der Mann antwortete nicht.
    «Ist denn ein Menschenleben nicht mehr wert als eine Ladung Sprit?»
    Der Mann war ganz mit Steuern beschäftigt.
    «Wir brauchen nur beidrehen und ihnen den Sprit lassen.»
    «Nein», sagte der Mann, «sie nehmen den Sprit und das Boot, und man selbst wird eingelocht.»
    «Einlochen ist mir ganz egal», sagte der Nigger, «aber ich will nicht verwundet werden.»
    Jetzt ging er dem Mann auf die Nerven, und der Mann hatte es satt, sein Gerede mitanzuhören.
    «Wer, zum Teufel noch mal, ist schlimmer verwundet, du oder ich?» fragte er.
    «Du bist schlimmer verwundet», sagte der Nigger. «Aber ich bin noch nie verwundet worden. Ich hab nicht damit gerechnet, daß ich verwundet werde. Ich will nicht verwundet werden.»
    «Immer mit der Ruhe, Wesley», sagte der Mann zu ihm. «Es hilft dir gar nichts, wenn du so redest.»
    Jetzt näherten sie sich dem Key. Sie waren innerhalb der Sandbänke, und als er das Boot in den Kanal steuerte, war es mit der Sonne auf dem Wasser schwierig, etwas zu sehen. Der Nigger fing an, ins Blaue zu reden oder machte auf moralisch, weil er verwundet war. Auf jeden Fall redete er die ganze Zeit.
    «Warum jetzt Schnaps schmuggeln?» sagte er. «Die Prohibition ist vorbei. Warum geht denn da der Handel weiter? Warum wird der Sprit nicht mit der Fähre rübergebracht?»
    Der Mann am Steuer ließ kein Auge vom Kanal.
    «Warum sind die Leute nicht ehrlich und anständig und verdienen sich ihren Unterhalt auf anständige, ehrliche Art?»
    Der Mann sah, wo sich das Wasser sanft auf der Höhe der Bank brach, selbst wenn er die Bank in der Sonne nicht sehen konnte, und er änderte den Kurs. Er wendete das Boot, indem er das Rad mit einem Arm herumwirbelte, und nun weitete sich der Kanal vor ihm, und er steuerte langsam direkt bis an den Rand der Mangroven. Er ließ beide Motoren rückwärts laufen und riß dann beide Kupplungen heraus.
    «Ich kann den Anker runter lassen», sagte er, «aber hochbringen kann ich ihn nicht.»
    «Ich kann mich noch nicht mal rühren», sagte der Nigger.
    «Gewiß doch, du bist in einer scheußlichen Verfassung», sagte der Mann zu ihm.
    Es fiel ihm schwer, den kleinen Anker hervorzuholen, ihn anzuheben und ins Wasser zu werfen, aber er kriegte ihn über Bord und ließ eine Menge Tau auslaufen, und das Boot trieb hinein, zwischen die Mangroven, so daß sie direkt ins Cockpit hingen. Dann ging er zurück und runter ins Cockpit. Mein Gott, dachte er, das Cockpit sieht wahrhaftig schauderhaft aus.
    Die ganze Nacht über, nachdem er dem Nigger die Wunde verbunden und der Nigger ihm seinen Arm bandagiert hatte, hatte er den Kompaß beobachtet und

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