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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sagte er zu dem Jungen. «Wollen Sie mal einen Augenblick das Rad nehmen, ja? Ich will was zu trinken holen.»
    «Gewiß», sagte der Junge. «Wie soll ich steuern?»
    «Zwei fünfundzwanzig», sagte Harry.
    Es war jetzt dunkel, und so weit draußen im Golfstrom war eine ganz beachtliche Dünung. Er ging an den beiden seekranken Kubanern, die auf den Bänken ausgestreckt lagen, vorbei und ging achteraus, dorthin, wo Roberto auf einem Angelstuhl saß. Das Wasser jagte in der Dunkelheit am Boot vorüber. Roberto hatte die Füße auf dem anderen Angelstuhl, der ihm zugekehrt stand.
    «Geben Sie mir was davon», sagte Harry zu ihm.
    «Geh zum Teufel», sagte der Mann mit dem großen Gesicht mit schwerer Zunge. «Das gehört mir.»
    «Schön», sagte Harry und ging nach vorn, um die andere Flasche zu holen. Unten in der Dunkelheit – mit der Flasche unter dem Stumpf von seinem rechten Arm – zerrte er den Korken heraus, den Freddy gezogen und wieder reingesteckt hatte, und kippte einen.
    Jetzt ist es so gut wie irgendwann, sagte er zu sich selbst. Keinen Sinn länger zu warten. Der kleine Junge hat seinen Vers hergesagt. Der Scheißkerl mit dem großen Gesicht ist betrunken; die anderen beiden sind seekrank. Kann ebensogut jetzt sein.
    Er nahm noch einen Schluck, und der Bacardi wärmte ihn und half ihm, aber er fühlte sich um die Magengegend herum immer noch kalt und leer. Sein ganzes Innere war kalt.
    «Willst du einen Schluck?» fragte er den Jungen am Rad.
    «Nein, danke», sagte der Junge. «Ich trinke nicht.»
    Harry konnte ihn im Licht der Kompaßlampe lächeln sehen. Der war wirklich ein gutaussehender Junge. Angenehm sprechen tat er auch.
    «Ich trink einen Schluck», sagte er. Er goß einen ordentlichen herunter, aber wärmen konnte der die klamme, kalte Stelle, die sich von seinem Magen jetzt bis hinauf über seine ganze Brust ausgebreitet hatte, nicht. Er stellte die Flasche auf den Fußboden des Cockpits.
    «Halten Sie auf dem Kurs», sagte er zu dem Jungen. «Ich geh mal nach den Motoren sehen.»
    Er öffnete die Luke und stieg hinunter. Dann verschloß er die Luke mit einem langen Haken, der in ein Loch im Fußboden griff. Er beugte sich über die Motoren, befühlte mit der Hand die Wasserkühlung, die Zylinder und legte die Hand auf die Stopfbüchsen. Er zog die zwei Staufferbüchsen um anderthalb Drehungen an. Ist doch alles nur Zaudern, sagte er zu sich selbst. Los jetzt! Laß doch das Zaudern! Wo hast du denn deine Eier? Sind sie dir unter das Kinn gerutscht?
    Er sah aus der Luke hinaus. Er konnte beinahe die beiden Sitze über den Benzintanks, wo die seekranken Männer lagen, berühren. Der Junge saß mit dem Rücken ihm zugewandt auf dem hohen Schemel, scharf umrissen im Licht der Kompaßlampe. Er wandte sich um und konnte Roberto gegen das dunkle Wasser als Silhouette auf seinem Stuhl im Heck hingeflezt sehen.
    Einundzwanzig in einem Magazin, das sind höchstens vier Salven zu fünf, dachte er. Ich muß eine sichere Hand haben. Schön. Los doch. Laß doch das Zaudern, du Wunderknabe mit Schiß in der Hose. Himmel, was würde ich für ein Magazin mehr geben. Na, jetzt ist eben keines mehr da. Er langte mit der linken Hand hinauf, hakte die Riemen ab, legte die Hand um den Abzugsbügel, schob die Sicherung mit dem Daumen ganz hinüber und zog das Gewehr heraus. Er hockte in dem Maschinenraum und visierte sorgfältig auf den Hinterkopf des Jungen, der sich gegen das Licht der Kompaßlampe abhob.
    Aus dem Gewehr schlug eine große Flamme in die Dunkelheit, und die Kugeln prasselten gegen die aufgestellte Luke und auf die Maschine. Noch bevor der Körper des Jungen vom Schemel schlug, hatte er sich umgewandt und auf die Gestalt auf der linken Bank gefeuert; er hielt das stoßende, flammenwerfende Gewehr beinahe gegen den Mann, so dicht, daß er roch, wie es seinen Mantel versengte, dann machte er eine Schwenkung, um eine Salve auf die andere Bank abzugeben, wo der Mann sich aufgesetzt hatte und an seinem Revolver zerrte. Er duckte sich jetzt tief und sah achteraus. Der Mann mit dem großen Gesicht war von seinem Stuhl verschwunden. Er konnte die Umrisse beider Stühle sehen. Der Junge hinter ihm lag bewegungslos. Über den bestand kein Zweifel. Auf der einen Bank sackte ein Mann in sich zusammen. Auf der anderen, das sah er aus einem Augenwinkel, lag ein Mann halb über dem Dollbord mit dem Gesicht nach unten.
    Harry versuchte festzustellen, wo der Mann mit dem großen Gesicht im Dunkeln war. Das Boot

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