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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sind schon ein Spaßvogel», sagte Harry. Er nahm einen tiefen Schluck.
    «Langsam», protestierte Roberto. «Das ist alles, was da ist.»
    «Ich hab noch welchen», sagte Harry zu ihm. «Ich hab Sie nur veralbert.»
    «Veralbern Sie mich nicht», sagte Roberto argwöhnisch.
    «Warum sollte ich’s nicht versuchen?»
    «Was haben Sie?»
    «Bacardi.»
    «Her damit!»
    «Aber, aber», sagte Harry, «warum denn gleich so grob werden?»
    Er trat über Alberts Leiche, als er nach vorn ging. Als er ans Steuerrad kam, blickte er auf den Kompaß. Der Junge war ungefähr 25 Grad abgekommen. Das ist kein Seemann, dachte Harry. Das läßt mir mehr Zeit. Sieh mal das Kielwasser an.
    Das Kielwasser lief in zwei schaumigen Kurven in der Richtung, wo jetzt achteraus der Leuchtturm braun, kegelförmig und dünn vergittert am Horizont zu sehen war. Die Boote waren beinahe außer Sicht. Er konnte gerade noch was Verschwommenes sehen, wo die Rundfunkmasten der Stadt waren. Die Motoren liefen gleichmäßig. Harry steckte den Kopf hinunter und langte nach einer der Flaschen Bacardi. Er ging mit ihr nach achtern. Auf dem Heck nahm er einen Schluck und reichte dann Roberto die Flasche. Er stand da und sah auf Albert hinunter, und ihm war scheußlich zumute. Der arme, hungrige Kerl, dachte er.
    «Was ist denn los? Angst vor ihm?» fragte der Kubaner mit dem großen Gesicht.
    «Was meinen Sie, wenn wir ihn über Bord werfen?» sagte Harry. «Hat keinen Zweck ihn mitzunehmen.»
    «Okay», sagte Roberto. «Sie haben gesunden Menschenverstand.»
    «Nehmen Sie ihn unter den Armen», sagte Harry. «Ich werde die Beine nehmen.» Roberto legte das Thompsongewehr auf das Heck und beugte sich hinab und hob die Leiche bei den Schultern an.
    «Wissen Sie, das schwerste auf der Welt ist ein toter Mann», sagte er. «Haben Sie schon je einen toten Mann gehoben, Käptn?»
    «Nein», sagte Harry. «Haben Sie schon je eine tote Frau gehoben?»
    Roberto zog die Leiche hinauf aufs Heck. «Sie sind ein toller Kerl», sagte er. «Was meinen Sie zu einem Schluck?»
    «Man los», sagte Harry.
    «Hören Sie mal, tut mir leid, daß ich ihn gekillt habe», sagte Roberto. «Wenn ich Sie erst kille, wird’s mir sogar sehr leid tun.»
    «Reden Sie doch nicht so», sagte Harry. «Was soll denn so ein Gerede?»
    «Los», sagte Roberto. «Hoppla, rüber mit ihm.»
    Als sie sich hinüberbeugten und die Leiche hinauf und übers Heck gleiten ließen, stieß Harry das Thompsongewehr über Bord. Es klatschte zur gleichen Zeit wie Albert auf, aber während Albert sich zweimal in dem weißen, butternden, gurgelnden Schraubenwasser umdrehte, bevor er sank, ging das Gewehr sofort in die Tiefe.
    «Das ist besser, was?» sagte Roberto. «Man muß Ordnung halten.» Dann, als er sah, daß das Gewehr weg war: «Wo ist es? Was haben Sie damit gemacht?»
    «Womit?»
    «Mit der ametralladora!» – Er fiel in der Erregung ins Spanische.
    «Die was?»
    «Sie wissen, was.»
    «Ich hab sie nicht gesehen.»
    «Sie haben sie vom Heck reingestoßen. Jetzt töte ich Sie. Jetzt!»
    «Regen Sie sich ab», sagte Harry. «Verflucht noch mal, weswegen wollen Sie mich denn killen?»
    «Gib mir ein Gewehr», sagte Roberto zu einem der seekranken Kubaner auf spanisch. «Gib mir ein Gewehr, schnell!»
    Harry stand da, hatte sich niemals so groß gefühlt, niemals so breit gefühlt, fühlte, wie der Schweiß unter seinen Achselhöhlen rieselte, fühlte, wie er ihm an den Seiten herunterlief.
    «Du killst zu viel», hörte er den seekranken Kubaner auf spanisch sagen. «Du killst den Steuermann. Jetzt willst du den Kapitän killen. Wer soll uns denn rüberschaffen?»
    «Laß ihn in Ruhe», sagte der andere. «Kill ihn, wenn wir drüben sind.»
    «Er hat das Thompsongewehr über Bord geschubst», sagte Roberto.
    «Wir haben das Geld. Wozu brauchst du jetzt ein Thompsongewehr? In Kuba gibt’s eine Masse Gewehre.»
    «Ich sag euch, ihr macht einen Fehler, wenn ihr ihn nicht jetzt killt. Ich sag’s euch. Gebt mir ein Gewehr!»
    «Ach, halt die Klappe. Du bist betrunken. Jedesmal wenn du betrunken bist, willst du jemand killen.»
    «Kippen Sie einen», sagte Harry und sah über die graue Dünung des Golfstroms hin, wo die runde rote Sonne gerade das Wasser berührte. «Beobachten Sie mal das da. Wenn sie ganz untergegangen ist, wird’s hellgrün werden.»
    «Zum Teufel damit», sagte der Kubaner mit dem großen Gesicht. «Sie glauben, daß Ihnen da was geglückt ist.»
    «Ich besorg Ihnen ein neues

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