Haben oder Nichthaben
hat’s ihn denn erwischt?»
«Das können Sie sich sicher vorstellen», sagte der Junge. «Das ist ganz was anderes, als die Sache mit Ihrem Steuermann. Das tut mir scheußlich leid. Wissen Sie, der will gar nichts Schlechtes tun. Es ist eben einfach, was diese Phase der Revolution aus ihm gemacht hat.»
«Tja, wahrscheinlich ist er ein guter Kerl», sagte Harry und dachte: Hör nur auf das, was mein Mund sagt. Verdammt noch mal, mein Mund ist bereit, Gott weiß was zu sagen. Aber ich muß versuchen, mir den Jungen hier zum Freund zu machen, im Fall…
«Was für eine Art von Revolution macht ihr denn jetzt?» fragte er.
«Wir sind die einzig wirklich revolutionäre Partei», sagte der Junge. «Wir wollen mit all den alten Politikern aufräumen, mit dem ganzen amerikanischen Imperialismus, der uns unterdrückt, mit der Tyrannei der Armee. Wir wollen frisch von vorn anfangen und jedem Menschen eine Chance geben. Wir wollen die Sklaverei der guajiros beenden, wissen Sie, der Bauern, und die großen Zuckerplantagen unter die Leute, die auf ihnen arbeiten, aufteilen. Aber wir sind keine Kommunisten.»
Harry blickte von der Kompaßkarte zu ihm auf.
«Wie weit seid ihr denn?»
«Wir bringen jetzt gerade das Geld für den Kampf auf», sagte der Junge. «Um das zu tun, müssen wir Mittel anwenden, die wir später niemals benutzen würden. Wir müssen auch Leute benutzen, die wir später nicht beschäftigen würden. Aber der Zweck heiligt die Mittel. In Rußland mußten sie es ja auch tun. Stalin war vor der Revolution viele Jahre lang eine Art Brigant.»
Er ist ein Radikaler, dachte Harry. Das ist er, ein Radikaler.
«Mir scheint, daß ihr ein gutes Programm habt», sagte er, «wenn ihr darauf aus seid, dem Arbeiter zu helfen. Ich war oft genug auf Streik in den alten Tagen, als wir die Zigarrenfabriken in Key West hatten. Ich hätte auch gern nach Kräften geholfen, wenn ich gewußt hätte, wer und was ihr seid.»
«Eine Menge Leute würden uns helfen», sagte der Junge. «Aber in dem Stadium, in dem die Bewegung jetzt ist, können wir niemandem trauen. Ich bedauere außerordentlich, daß die jetzige Phase notwendig ist. Ich hasse Terror. Mir sind auch die Methoden furchtbar zuwider, mit denen wir das notwendige Geld zusammenbringen. Aber wir haben keine Wahl. Sie wissen nicht, wie schlimm die Verhältnisse in Kuba sind.»
«Wahrscheinlich sind sie reichlich schlimm», sagte Harry.
«Sie können sich nicht vorstellen, wie schlimm sie sind. Wir haben eine absolut blutdürstige Tyrannei, die sich bis auf jedes kleine Dorf im ganzen Land erstreckt. Auf der Straße können nicht drei Leute zusammenstehen. Kuba hat keine äußeren Feinde und braucht keine Armee, aber wir haben jetzt eine Armee von 25000 Mann, und die Armee, vom Unteroffizier aufwärts, saugt dem Volk das Blut aus.
Alle, selbst die gewöhnlichen Soldaten, sind darauf aus, sich ein Vermögen zu erwerben. Jetzt haben sie eine Militärreserve, in der jede Art von Verbrecher, Bluthund und Spitzel aus den alten Zeiten von Machado darin ist, und sie nehmen alles, was die Armee nicht haben will. Wir müssen die Armee loswerden, bevor irgendwas zu machen ist. Früher wurden wir mit Knüppeln regiert. Jetzt werden wir mit Gewehren, Pistolen, Maschinengewehren und Bajonetten regiert.»
«Das klingt schlimm», sagte Harry am Steuer und ließ das Boot noch weiter östlich vom Kurs abkommen.
«Sie können sich nicht vorstellen, wie schlimm es ist», sagte der Junge. «Ich liebe mein armes Vaterland, und ich würde alles, alles tun, um es von der Tyrannei, die wir jetzt haben, zu befreien. Ich tue Dinge, die ich verabscheue. Aber ich würde Dinge tun, die ich noch tausendmal mehr verabscheue.»
Ich habe Durst, dachte Harry. Was zum Teufel noch mal geht mich seine Revolution an? Scheiße, seine Revolution. Um dem Arbeiter zu helfen, raubt er eine Bank aus und killt den Kerl, der mit ihm zusammenarbeitet, und dann killt er den armen, beschissenen Albert, der nie was Böses getan hat. Da hat er doch gerade einen Arbeiter umgebracht. Daran denkt er nicht. Mit einer Familie. Die Kubaner regieren Kuba. Einer betrügt und verrät den anderen. Einer verkauft und beschubst den anderen. Die haben, was sie verdienen. Zum Teufel mit ihren Revolutionen. Alles, was mich angeht, ist, das tägliche Brot für meine Familie zu verdienen, und das kann ich nicht. Und der erzählt mir dann von seiner Revolution. Zum Teufel mit seiner Revolution!
«Es muß schon schlimm sein»,
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