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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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hinfalle, und er ließ sich auf den Boden des Cockpits gleiten.
    Er lag auf der Seite, und dann, als das Boot rollte, kam das Mondlicht herein, und er konnte alles im Cockpit ganz deutlich sehen.
    Überfüllt ist es, dachte er. Ja, das ist es, überfüllt. Dann dachte er, was wird sie nun machen? Was wohl Marie machen wird? Vielleicht wird man ihr die Belohnung auszahlen. Verflucht noch mal der Kubaner da. Sie wird’s wohl schaffen. Sie ist eine fixe Person. Wahrscheinlich hätten wir’s alle irgendwie schaffen können. Wahrscheinlich war’s verrückt von mir. Wahrscheinlich hab ich mir einen zu großen Happen zugemutet. Das hätte ich nicht probieren sollen. Bis zum Schluß war alles richtig. Niemand wird wissen, wie es passiert ist. Ich wünschte, ich könnte was wegen Marie tun. Eine Menge Geld hier auf dem Boot. Ich weiß nicht mal wieviel. Mit dem Geld da wäre jeder okay. Ob wohl der Küstenschutz es klauen wird? Wahrscheinlich einen Teil davon. Ich wünschte, ich könnte die Alte wissen lassen, was passiert ist. Was sie wohl tun wird? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hätte ich eine Stellung in einer Tankstelle oder irgend so was annehmen sollen. Ich hätte mit der Bootfahrerei aufhören sollen. Da steckt kein ehrliches Geld mehr darin. Wenn das Scheißboot nur nicht so rollen würde. Wenn es nur aufhören würde, so zu rollen. Ich kann all das Hinundherschwappen in mir fühlen. Ich, Mr. Honigmaul und Albert. Alle, die damit zu tun hatten. Diese Scheißkerle auch. Es muß schon ein Unglücksgeschäft sein, ein richtiges Unglücksgeschäft. Wahrscheinlich sollte ein Mann wie ich eine Tankstelle pachten oder so etwas. Teufel, ich könnte doch keine Tankstelle pachten. Marie, die könnte irgendeinen Betrieb führen. Sie ist jetzt zu alt, um auf den Strich zu gehen. Ich wünschte, dies Scheißboot würde nicht schlingern. Ich muß mich ganz ruhig verhalten. So ruhig, wie es irgend geht. Man sagt, wenn man kein Wasser trinkt und still liegt. Man sagt besonders, wenn man kein Wasser trinkt.
    Er blickte auf das, was das Mondlicht im Cockpit sehen ließ.
    Na, wenigstens brauche ich das nicht sauber zu machen, dachte er. Ich muß ganz ruhig bleiben. Das muß ich. Ganz ruhig bleiben. So ruhig, wie es irgend geht. Ich habe ja noch eine Chance.
    Er lag auf dem Rücken und suchte gleichmäßig zu atmen. Die Barkasse rollte in der Dünung des Golfstroms, und Harry Morgan lag auf dem Rücken im Cockpit. Zuerst suchte er sich mit seiner heilen Hand gegen das Rollen zu stemmen. Dann lag er still und ließ es über sich ergehen.

11
    Am nächsten Morgen befand sich Richard Gordon in Key West auf dem Heimweg, nachdem er Freddys Bar einen Besuch abgestattet hatte, um mehr über den Bankraub zu erfahren. Er radelte, und er kam an einer vierschrötigen großen, blauäugigen Frau vorbei, deren gebleichtes Haar unter einem alten Männerfilzhut hervorsah, deren Augen vom Weinen rot waren und die eilig die Straße überquerte. Sieh dir die dicke Kuh an, dachte er. Was mag so eine Frau wohl denken? Wie mag die wohl im Bett sein? Wie mag ihrem Mann zumute sein, wenn sie so einen Umfang kriegt? Mit wem mochte sie sich wohl in der Stadt herumtreiben? War das nicht eine entsetzlich aussehende Frau? Wie ein Schlachtschiff. Grauenerregend!
    Er war jetzt beinahe zu Hause. Er ließ sein Rad auf der vorderen Veranda, ging in den Eingangsflur und schloß die Haustür, die von den Termiten durchlöchert und unterminiert war.
    «Was hast du gehört, Dick?» rief seine Frau aus der Küche.
    «Sprich jetzt nicht mit mir», sagte er. «Ich will arbeiten. Ich hab die ganze Sache im Kopf fertig.»
    «Na schön», sagte sie. «Ich werde dich nicht stören.»
    Er setzte sich an einen großen Tisch im Vorderzimmer. Er schrieb einen Roman über einen Streik in einer Textilfabrik. Im heutigen Kapitel wollte er die dicke Frau mit den tränengeröteten Augen, die er eben auf seinem Heimweg gesehen hatte, benutzen. Ihr Mann haßte sie, wenn er abends nach Hause kam, haßte ihre Grobschlächtigkeit und Schwerfälligkeit; ihr gebleichtes Haar stieß ihn ab, ihre zu großen Brüste, ihr Mangel an Verständnis für seine Arbeit als Organisator. Er würde sie mit der jungen Jüdin mit den festen Brüsten und den vollen Lippen vergleichen, die an dem Abend auf der Versammlung gesprochen hatte. Das war gut. Das war, das konnte sogar leicht ganz groß sein, und es war wahr. Er hatte in einem blitzhaften Erkennen das ganze Innenleben eines solchen Frauentyps

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