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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Childress
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hatte aufgelegt.
    Mama kam mit ihrem Gehgestell durch den Flur. Sie trug immer noch die Häschenpantoffeln. »Hab ich da Leute reden hören?«
    »Unsere Gäste sind da, Mama. Willst du nicht deine Schuhe anziehen? Ich hab sie neben den Fernseher gestellt.«
    »Nein, will ich nicht«, sagte Mama.
    »Na, ich werde jetzt nicht mit dir streiten.« Georgia drehte sich zum Esszimmer um. »Alle mal herschauen, hier kommt Little Mama!«
    Die Damen stießen spitze Schreie aus. Es war die gezwungene Extraportion Begeisterung, mit der man alten Leuten und kleinen Kindern begegnete. Little Mama ließ ihre Umarmungen und freundlichen Nachfragen kommentarlos über sich ergehen, und Georgia brummelte etwas von der Haustür,
obwohl es gar nicht geläutet hatte, lief durch die Diele und spähte auf die Straße hinaus.
    Niemand versuchte sein Auto zu parken. Keine Gruppen von Damen in Partykleidung kamen den Gehweg entlang.
    Georgia biss die Zähne zusammen. Sie ging durch den Flur zu Little Mamas kiefernholzgetäfeltem Zimmerchen. Der Fernseher zeigte immer noch denselben Teil des Films. Es war eine Nachrichtensendung – »Eilmeldung«, hieß es da immer wieder. Etwas Verschwommenes erschien auf der einen Seite des Bildschirms. Ein Ball aus orangegelbem Feuer explodierte in einem Turm. Ein Turm brach in einem Ascheregen in sich zusammen. Panische Menschen rannten Hals über Kopf auf die Kamera zu, verfolgt von der wabernden Staubwolke.
    Georgia dachte an Ameisen. Der Große Ameisenverband. Der Ameisenhügel war eingestürzt, und die Ameisen rannten hin und her.
    Sie setzte sich auf die Kante von Mamas Sessel und las das Schriftband, das über den Bildschirm lief. Sie drehte die Lautstärke ein wenig höher.
    Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Lily Jane und Jean Lardell sowie Geraldine und Little Mama sich hinter ihr versammelt hatten und mit offenen Mündern auf den Bildschirm starrten.
    »Das ist wie Pearl Harbor«, meinte Lily Jane.
    »Georgia sagt, es ist ein Film«, sagte Little Mama.
    Georgia hielt den Mund.
    »Ich nehme an, inzwischen wissen es alle«, erklärte Geraldine. »Deshalb sind sie noch nicht gekommen.«
    Georgia ging hinaus in den Flur, und die anderen Damen halfen Little Mama in ihren Ruhesessel.

    Die aufgeregten Stimmen der Nachrichtensprecher hallten durch den Flur. Georgia blieb in der Haustür stehen und schaute hinaus.
    In Six Points passiert so etwas nicht. Darum wohnen wir hier – um weit weg von solchen Dingen zu sein.
    Sie versuchte zu begreifen, was da geschehen war. Eine Tragödie. Der nationale Notstand. Der Präsident flog irgendwo hin, aber sie sagten nicht, wohin. Überall stürzten Flugzeuge ab.
    Natürlich hatte so etwas Vorrang vor jedem September-Lunch. Es war viel, viel wichtiger als jede gesellschaftliche Veranstaltung.
    Vielleicht war sie nicht die Einzige in dieser Lage, dachte Georgia plötzlich. Wahrscheinlich standen ja überall im ganzen Land Gastgeberinnen an ihren Buffets und warteten auf Gäste, die nicht kommen würden.
    Sie lief ins Wohnzimmer, vorbei an Pyramiden von Sandwiches mit Hühnersalat und Paprikakäse, und dachte daran, dass sie sich mit leisem Grausen vorgestellt hatte, wie die Gäste diese wunderschönen Arrangements zerstören würden. Na, dein Wunsch ist dir erfüllt worden, dachte sie verbittert. Alles war noch makellos und unberührt.
    Sie nahm ein Schälchen mit gemischten Nüssen und ging damit zurück in Little Mamas Zimmer. »Haben sie schon eine Vermutung, wer das war?«
    »Bin Soo«, antwortete Lily Jane. »Das ist der, der das Schiff in die Luft gejagt hat.«
    »Die Titanic ?«, fragte Little Mama.
    »Nein, ein Schiff der Marine. Hat ein Loch in die Seite gesprengt, und es wäre fast gesunken. Vor ungefähr einem Jahr. Wisst ihr noch?«

    »Wo war denn das?«, fragte Jean Lardell. »Ich glaube, das ist mir entgangen.«
    »Irgendwo da drüben im Mittleren Osten, ich hab vergessen, wo«, sagte Lily Jane. »Nenn mir ein Land im Mittleren Osten.«
    »Japan?«, vermutete Jean.
    »Nein, das ist im Fernen Osten. Der Mittlere Osten.«
    »Möchte jemand ein paar Nüsse?«, fragte Georgia. »Mein Gott, da ist so viel Essen. Ich glaube, ich mache Ihnen allen einen Teller zurecht, und Sie können hier vor dem Fernseher essen.«
    »Oh, die arme Georgia.« Geraldine Talby drehte sich zu ihr um. »Sehen Sie doch nur. Das arme Herzchen. Ihre Party ist ruiniert.«
    Die Damen drängten sich heran, tätschelten ihr den Arm und sprachen davon, wie leid es ihnen tue. Georgia

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