Haben Sie das von Georgia gehoert
sie wünschten, sie könnten mitmachen. Aber keiner wollte als Erster seine Zustimmung geben.
Lon Chapman war einer von diesen Mistkerlen.
Georgia ging zum Telefon in der Küche. Kein Wählton. Das überraschte sie. Das Telefon war das verlässlichste Gerät im Haus. Sie drückte ein paarmal mit dem Finger auf die Gabel. Nichts.
Sicher hatte sie nach dem Gespräch mit Lonnie oben nicht richtig aufgelegt.
Sie lief die Treppe hinauf und zum Telefontisch. Richtig, das eine Ende des Hörers lag schräg neben der Gabel. Kein Wunder, dass es den ganzen Morgen so still war. Sie holte ihr Adressbuch und wählte die Nummer der Bank.
Besetzt? Dass der Anschluss der Bank besetzt war, hatte sie noch nie erlebt. Sie nahm sich vor, ihn später anzurufen.
Georgia mischte sich nicht oft in das Leben ihrer Männer ein, und wenn sie es tat, achtete sie darauf, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. So wäre sie beispielsweise niemals direkt zu Richter Barnett gegangen, um ihn aufzufordern, er möge Krystals Eingemeindungsplan zustimmen. In finanziellen oder politischen Angelegenheiten wird ein Mann auf praktisch jeden anderen Mann hören, aber nicht auf eine Frau. Das mochte man als sexistisch missbilligen, aber Georgia wusste, dass es so war. Ihre Methode bestand deshalb darin, dass sie Mann A überredete, Mann B einen Gefallen
zu erweisen, der dann über C, D und E zu A zurückkehrte. So bewegte Georgia die Dinge in Six Points, und niemand ahnte, dass sie das tat.
Nach dem Plan war sie ihrer Zeit jetzt um acht Minuten voraus. Als Nächstes musste sie die Backöfen vorheizen und die ersten Speisen aus Kühlschränken und Gefriertruhe nehmen.
Sie ging durch den Korridor zu dem kiefernholzgetäfelten Zimmerchen, in dem Little Mama nachmittags ihre Fernsehgeschichten anschaute. Sie wappnete sich für den Blick durch die Tür, aber überrascht stellte sie fest, dass Mama ihr adrettes, hellblaues Sonntagskleid trug, in dem sie zur Kirche ging, und ihr schütteres Haar säuberlich gebürstet hatte.
»Du siehst aber hübsch aus!«, sagte Georgia.
Little Mama hatte sogar ihre beste Kette umgelegt, ein goldenes, mit kleinen Staubperlen besetztes Medaillon. Abgesehen von den flauschigen, pinkfarbenen Häschenpantoffeln mit den Kulleraugen wirkte sie absolut präsentabel. Sie schaute auf den Fernseher, der leise vor sich hin murmelte. »Ich wollte Kaffee, aber ich hab dich herumklappern hören. Da wollte ich nicht im Weg sein.«
»Sei nicht albern«, sagte Georgia. »Na komm, ich mache dir eine Tasse. Willst du jetzt deine Frühstücksflocken?«
»Nein. Ich bleibe lieber hier, da störe ich niemanden.«
»Ach, komm, Mama. Du musst doch einen Mordshunger haben.«
»Es geht schon …« Little Mama ließ den Satz in der Schwebe. Diese Jammernummer war gar nicht ihre Art. Georgia trat ins Zimmer, damit sie besser sehen konnte, und entdeckte so etwas wie Blutkrusten in Little Mamas Mundwinkeln. Bei näherem Hinsehen erkannte sie, dass es Lippenstift war.
Little Mama beugte sich vor. »Ich weiß nicht, warum sie auf allen Sendern denselben Film zeigen.«
»Welchen Film?«
»Flammendes Inferno.«
»Oh, der gefällt mir.« Georgia ging rückwärts hinaus. »Dieser Steve McQueen ist ein gut aussehender Mann.« Little Mama antwortete nicht. »Ich bringe dir deinen Kaffee, Mama. Mach’s dir bequem und genieß den Film.«
Little Mama starrte den Bildschirm an.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, das war klar. Es lag nicht nur an dem Lippenstift und den Häschenpantoffeln. Da war auch eine neue Gebrechlichkeit, das Gefühl, dass sie seit gestern an Boden verloren hatte.
Ted Horn hatte erklärt, dass man in den Anfangsstadien der Demenz gute und schlechte Tage in unregelmäßiger Reihenfolge erlebte. Es sah nicht so aus, als ob es heute ein guter Tag werden würde.
Georgia goss gerade Wasser in die Maschine, als das Telefon klingelte. Als sie abnahm, hörte sie gerade noch, wie der Anrufer auflegte. Die Uhr zeigte 10.58 Uhr. Wahrscheinlich eine Zu- oder Absage in letzter Minute.
Sie schob das erste Blech mit gefüllten Feigen in den Backofen, stellte den Timer ein, nahm dann die Servierplatten aus der Kühltruhe auf der hinteren Veranda und trug sie zum Mahagonitisch im Esszimmer.
Mit Krystals Walddekoration aus Moosen und Farnen sah das Zimmer aus wie ein National Geographic -Sonderheft. Den ganzen vergangenen Abend hatte sie damit zugebracht, Tüten mit abgestorbenem Pflanzenmaterial hereinzuschleppen und jede erreichbare Fläche
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