Haben Sie das von Georgia gehoert
erklärte, ein nationaler Notstand sei viel wichtiger als jeder gesellschaftliche Anlass.
Und schon hatte sie es satt, tapfer zu sein; sie hatte die Fernsehkommentatoren satt, und sie war angewidert von den schrecklichen Szenen, die in einer Endlosschleife immer wieder über den Bildschirm flimmerten. Das waren lebende Menschen, die da aus den brennenden Türmen sprangen. So etwas sollte man einfach nicht im Fernsehen zeigen, Punkt.
Sie hoffte, dass man ihr nicht ansehen konnte, wie niedergeschmettert und enttäuscht sie war – und wenn doch, dann würden die anderen ihren Gesichtsausdruck hoffentlich als Besorgnis über die schrecklichen Ereignisse deuten, nicht als die massiv egozentrische Enttäuschung, die sich wirklich dahinter verbarg.
Sie wünschte, alle würden jetzt einfach nach Hause gehen, damit sie weinen könnte.
Das Telefon klingelte.
»Hey, George«, sagte Krystal. »Alles okay?«
»Ich denke schon. Wo bist du?«
»Im Büro. Wir warten auf eine Telefonkonferenzschaltung. Der Direktor des staatlichen Amts für öffentliche Sicherheit will unsere Maßnahmen zur Zivilverteidigung besprechen.«
»Während all das hier im Gange ist?«
»Ja, darum geht’s ja gerade. Sie wissen nicht, ob es noch weitere Angriffe geben wird«, erklärte Krystal. »Manche nehmen an, die Großstädte waren nur die erste Welle. Vielleicht sind die Kleinstädte als Nächste an der Reihe. Da müssen wir vorbereitet sein.«
»Ach, hör auf. Du glaubst doch nicht ernsthaft, diese Leute kommen nach Six Points?«
»Ich bin nicht sicher. Du etwa?« Krystal seufzte. »Hör zu, im Fernsehen sagen sie, wir haben Krieg, und das ändert alles. Ich bin Bürgermeisterin, weißt du, und ich muss das ernst nehmen.«
»Ich will aber nicht, dass alles sich ändert«, sagte Georgia. »Ich will, dass es bleibt, wie es ist.«
»Hey, die Telefone hier spielen verrückt«, sagte Krystal. »Falls ich dich später brauche, könntest du dann kommen und uns helfen?«
»Ja, natürlich. Sag einfach Bescheid.« Georgia fand die Vorstellung, dass Krystal Six Points gegen Terroristen verteidigte, ein bisschen zum Lachen, aber heute war kein Tag zum Witzemachen.
Denn so schlimm war es: Sie konnte nicht einmal mit ihrer besten Freundin Witze machen, mit der sie doch sonst selbst
in den schlimmsten Dingen noch etwas Komisches entdeckte. Um wen auch immer es sich bei den Leuten handelte, die da um die halbe Welt gekommen waren, um sich zwischen sie und Krystal zu stellen – Georgia hasste sie. Wieso können sie uns nicht in Ruhe lassen? Das hat doch nichts mit uns zu tun!
Unversehens wurde ihr klar, dass alle drei Damen zu ihren Handtaschen gegriffen hatten und zur Tür gingen. »Ach nein, gehen Sie doch bitte nicht!«, flehte sie. »Niemand sonst kommt mehr, und Sie haben doch noch gar nichts gegessen.« Es war nicht die charmanteste Formulierung, und noch uncharmanter war es, dass Georgia daran dachte, wie viel Geld sie ausgegeben hatte. Aber wie kann man sein Gehirn daran hindern zu denken, was es will?
»Oh, ich könnte jetzt nichts essen. Das alles regt mich zu sehr auf«, sagte Jean Lardell.
»Ich weiß nicht so recht, ob wir jetzt auf die Straße gehen sollten«, sagte Geraldine Talby. »Was ist, wenn sie anfangen, Bomben zu werfen?«
»Niemand wird Bomben werfen«, entgegnete Georgia. »Wir sind hier in Six Points.«
»Meine Schwester Frances hat eine Tochter, die in New York zur Schule geht«, erklärte Jean. »Ich muss sie anrufen und fragen, ob alles in Ordnung ist. Sie ist genau der Typ, der sich die Kamera schnappt und losläuft, um da unten Fotos zu machen.«
»Die können Sie doch von hier aus anrufen«, sagte Georgia.
»Das ist schon okay«, meinte Jean. »Ich habe diesen Pauschaltarif für Ferngespräche.«
»Ich habe ein so schlechtes Gewissen, weil ich nicht hierbleibe und Ihnen beim Aufräumen helfe«, sagte Lily Jane Mobley.
Georgia zwang sich zu einem höflichen Gastgeberinnenlächeln. »Ich danke Ihnen sehr dafür, dass Sie gekommen sind«, sagte sie. »Wir werden es bald mal wiederholen.« Sobald die Hölle zugefroren ist! Sie wusste, es war verrückt, auf die drei einzigen Damen neben Nadine und Krystal, die überhaupt an die Einladung zum Lunch gedacht hatten, wütend zu sein. Alle anderen nutzten die Katastrophe anscheinend als Vorwand, um die fundamentalen Gebote der Höflichkeit außer Acht zu lassen.
Sie umarmte die Damen nacheinander und verfolgte dann, wie sie zu ihren Autos eilten. Geraldine reckte
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