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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Childress
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»Verdammt, bring ihn doch her«, und das hätte sie getan. Aber seit der Katastrophe bei Krystals Wahlkampfauftritt vor den Frauen war zu viel Zeit vergangen. Inzwischen hätte Georgia sie längst anrufen und sich lang und breit bei ihr entschuldigen müssen. Stattdessen hatte sie den Zwist einen ganzen Tag lang schwären lassen. Normalerweise hätten sie und Krystal in dieser Zeit fünf- oder sechsmal miteinander telefoniert. Aber das Telefon hatte nicht ein einziges Mal geklingelt. Das bedeutete, dass Krystal immer noch wütend war. Da konnte man sie vorerst nur in Ruhe lassen. Georgia wagte nicht, sie um einen Gefallen zu bitten.
    Sie fuhr bei Hull’s Market vorbei, um den Kühlschrank wieder aufzufüllen. Nathan musste im Wagen warten, während sie einkaufte, und für die Heimfahrt nahm sie einen Umweg über die Umgehungsstraße und kam von Norden herein, um ihm mehr von Six Points zu zeigen. Als sie am No-Tell-Motel vorbeifuhren, entging ihr nicht, wessen vergammelter Chrysler K-Car dort am helllichten Tag neben wessen rotem Pick-up parkte.
    Sie brachte Nathan nach Hause und setzte ihn in Mamas Fernsehzimmer. Da ließ sie ihn den ganzen Nachmittag Chips verspeisen und stumm durch die Kanäle zappen.
    »Hör zu, Nathan, ich habe heute Abend eine wichtige Verabredung«, sagte sie. »Ich bin zwei Stunden weg. Geh nur Little Mama aus dem Weg, ja?« Wenn er wieder Hunger bekommen sollte, sagte sie, könne er sich nach Belieben am Kühlschrank bedienen. Und falls er duschen wolle – Zaunpfahl!
– , habe sie unten im hinteren Bad Seife, Shampoo und frische Handtücher hingelegt. Sie werde außerdem mit Vergnügen seine Sachen waschen, wenn sie schmutzig seien. Aber alles andere müsse warten, bis sie wieder da sei.
    Mit dem Wäschewaschen war er einverstanden. Zusammen beluden sie die Maschine, und sie zeigte ihm, wie der Trockner funktionierte.
    Dann lief sie eilig in ihr Zimmer, um sich frischzumachen. Sie zog ein gelbes Sommerkleid mit Punkten an und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz für Sheriff Bill. Sie schaute bei Little Mama vorbei und sprach eine strenge Warnung aus, die den Nebel der wunderlichen Vergesslichkeit, der schon den ganzen Tag über ihr hing, hoffentlich durchdringen würde. Mama runzelte die Stirn, während Georgia redete, und wedelte sie weg wie eine Mücke.
    Georgia ging wieder hinunter. »Okay, Nathan, ich bin dann weg«, flötete sie durch den Flur.
    Er antwortete nicht. Sie streckte den Kopf durch die Tür. Die viele Trostnahrung hatte schließlich Wirkung gezeigt. Er lag ausgestreckt in Mamas Kippsessel und schlief mit dem Kopf in der Armbeuge. Im Fernsehen lief leise eine Autoverfolgungsjagd.
    In dieser Lage sah er beinahe niedlich aus. Sie hob seine Baseballkappe vom Boden auf und legte sie ihm auf das Knie.
    Whizzy schlummerte neben ihm auf dem Teppich – ein gutes Zeichen. Whizzy war immer schon ein guter Menschenkenner gewesen.
    Georgia musste sich zusammennehmen, um nicht noch länger dazustehen und ihn anzustarren.
    Eine halbe Stunde später lag sie ausgestreckt neben Sheriff
Bill und atmete seinen Whiskeyatem ein, während die Aufzeichnung einer alten »Grand Ole Opry«-Sendung auf dem in dem antiken Radio versteckten CD-Player lief. Bei sehr geringer Lautstärke half die Opry, die richtige Stimmung für den Sheriff zu schaffen. Der Mann war berühmt dafür, dass er wenig Worte machte; Georgia hatte jahrelang behutsam stochern müssen, um ihm so grundlegende Informationen wie seine musikalischen Vorlieben zu entlocken. Nach und nach fand sie heraus, dass sie an ihrem Freitagabend eine bestimmte Szene aus der Jugend des Sheriffs nachspielten. Es war nicht klar, ob er es tatsächlich erlebt hatte oder ob es eine Fantasie war, die er die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte. Eigentlich spielte es auch keine Rolle. Georgia war das Double für eine bestimmte junge Frau im gelben Kleid. Als sie das erste Mal ein solches Kleid trug, hatte Bill sie mit Komplimenten so sehr überhäuft, dass sie von da an immer Gelb für ihn anzog.
    Das leise Winseln der Opry-Fiddler gehörte auch zu dieser Szene, ebenso wie das gelöschte Licht und der Sheriff in seinem weißen Unterhemd mit dem V-Ausschnitt, der mit seinem dürren Hinterteil auf dem Bett herumzappelte und seine Fruit-of-the-Looms abschüttelte … Haargenau das Gleiche hatten sie Dutzende Male exakt so abgespult. Auf Georgia wirkte es verdruckst, schal und fast tödlich, aber Sheriff Bill fand endlosen Genuss dabei, diese

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