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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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dabeigewesen.
    Ingenieur, 1916
    Nein, aber in dem Ort, wo ich wohnte, war jemand, der mal im KZ gewesen war. Der hatte anscheinend Redeverbot, infolgedessen erfuhr man nichts. Das war ein Mann, der sich politisch betätigt hatte, sehr links stehend.
    Verleger, 1913
    Ich weiß eine bezeichnende Geschichte. Dachau und Oranienburg waren ja die ersten KZ s. Als ich 1934 in München war, gab es noch viele Bettler, es läutete dauernd. Auf dem Flur stand deshalb immer ein kleiner Blechteller mit Münzen.
    Ein Standardbettler kam fast jeden Tag, der bekam immer einen Teller Suppe, den aß er im Treppenhaus. Damit war er zufrieden, ein ordentlicher Mann.
    Eines Tages kam er nicht mehr, er blieb ein paar Wochen aus. Und dann sagte meine Mutter: » Heute ist er wieder dagewesen, unser alter Suppenfreund.« Sie hatte ihn gefragt: » Wo waren Sie denn die ganze Zeit?«
    » Ich war in Dachau.«
    » Wieso?«
    » Ich habe mich ungünstig über das neue Regime geäußert. Aber sagen Sie das um Gottes willen nicht weiter.«
    Rentner, 1920
    Ich bin in Oranienburg aufgewachsen und habe nichts davon mitgekriegt.
    Tischler, 1911
    Ja. Hier in Ulm war eins. Das war nur ein Jahr, dann haben sie es aufgehoben. Ein düsteres Festungswerk ist das; heut haben sie da eine Tafel angebracht.
    Schriftsteller, 1922
    In der Nähe von uns gab’s ein kleines KZ . Die hat man arbeiten sehen. Da standen sie auf den Äckern und hackten. Aber da wußte man nicht, sind das Politische oder Verbrecher.
    Kaufmännischer Angestellter, 1927
    Scheren Sie einem Menschen den Kopf, kleiden sie ihn in Anstaltskleidung, der normale Mensch zieht dann den Schluß: Mit dem ist was nicht in Ordnung.
    Vertreter, 1905
    Man wußte schon vor dem Krieg, daß es Konzentrationslager gab, und man sagte: » Konzertlager« und verband damit die Vorstellung von Prügel und Schreien. Man nahm an, daß da Asoziale hinkommen, die dort zur Arbeit angetrieben werden.
    Arzt, 1898
    Ein Kommunist in unserer Gemeinde, der war Quartalssäufer, und wenn er gesoffen hatte, dann konnte er sein Maul nicht halten. Der kam dann ins KZ . Ein Vierteljahr später bekam seine Frau einen vorgedruckten Brief, da war nur der Name eingesetzt und: » Gestorben an Herzversagen«. Die Frau hat laut gebrüllt: » Der hat doch nie was am Herzen gehabt! Der ist doch umgebracht worden.«– » Seine Asche können Sie sich kommen lassen«, stand da drunter.
    Beamter, 1919
    Nein, nur als Drohung. Wenn du nicht, dann… Wir hatten auch einen Nachbarn, der Kommunist war und dann ganz offensichtlich abgeholt wurde und in einem KZ verschwand, aber nach einiger Zeit wieder auftauchte.
    Tischler, 1920
    Das hat man mehr als so eine Art Gefängnis angesehen, aber daß die da umkamen, hat man nicht gedacht. Ein Malermeister aus der Nachbarschaft, ein Zeuge Jehovas, der war im KZ und ist wiedergekommen. Der hat gesagt: » Fragt mich bloß nichts…«
    Kaufmann, 1924
    Als Schüler haben wir mal in » Wallensteins Lager« mitgewirkt, als Statisten. Und da haben wir dem Inspizienten die Trompete verstopft. Und als es hieß: » Blast, Trompeten, blast!«, kam natürlich nichts.
    Daraufhin hat der Hausmeister, der als einziger in Uniform im Theater herumlief, als Drohung ausgestoßen: » Ich bring euch ins KZ !«
    Kaufmann, 1923
    Als ich zum erstenmal den Ausdruck » Konzentrationslager« hörte, konnte ich mir gar nichts darunter vorstellen, das ist ja auch ein sehr verschwommener Begriff. Später tauchten dann Wörter auf wie: » Oranienburg« oder » Dachau«. Aber Näheres? Nein.
    Modezeichner, 1922
    Es wurde ja auch darüber geschrieben, in der Zeitung, man konnte es ja lesen. Das heißt, in der Zeitung stand, daß es Konzentrationslager gibt.
    Ingenieur, 1928
    Die Ortsfrauen sagten oft, wenn man ’ne Fensterscheibe eingeschmissen hatte, als Junge: » Paß auf, du kommst nach Dachau!«
    Ofensetzer, 1915
    KZ ? Beobachtet nicht, aber erfahren. Eigentlich wußte jeder: Wer’s Maul aufmacht, kommt nach Dachau. Das fand man allgemein in Ordnung. » Der soll eben nicht das Maul aufmachen!« sagte man. » Die arbeiten da, und das ist doch in Ordnung.« Nur daß die alles im Laufschritt tun mußten, diese Vorstellung kam uns sehr komisch vor. Schaufeln im Laufschritt! Aber sonst war das in Ordnung.
    Kaufmann, 1917
    Ich war nie in einem drin. Ich wußte natürlich, daß Niemöller im KZ war. Wir haben Bittgottesdienste gehalten. Hinter der Hand hörten wir, daß er im ganzen anständig behandelt wird.
    Hausfrau, 1916
    Von der

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