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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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genommen, weil wir uns denken konnten, was mit denen passiert wäre, wenn man sie gekriegt hätte.
    Psychiater, 1921
    Ja, ich hab’ das gewußt. Ich hatte einen Stiefvater, der war Pressechef, er brachte alle möglichen Dinge mit nach Hause…
    Zu Anfang der Nazizeit habe ich einmal einen Blumenstrauß wegbringen müssen, da war ich dreizehn, der Autor von » Revolte im Erziehungsheim« war verhört worden, zu dem mußte ich gehen und Blumen hinbringen.
    Arzt, 1921
    Einmal gingen wir spazieren, mein Vater ging voraus mit einem Mann, der war aus Oranienburg gekommen und war da geschlagen worden. Die dachten nicht, daß ich das höre.
    Elektriker, 1929
    Mein Bruder war fünf, da ist er mit meinem Vater und einem Pastor am See spazierengegangen, und die haben sich da was übers KZ erzählt und dachten nicht, daß mein Bruder das alles mitkriegt. Der hat mir das dann erzählt, daß da Leute eingesperrt und geschlagen werden.
    Studienrat, 1929
    Ich wohnte in einer Villengegend von Babelsberg– schräg gegenüber wohnte ein SS -Offizier. Und meine Tante erwähnte, sie hätte mit dessen Frau gesprochen, und die hätte angedeutet, daß es KZ s gäbe. Und ich weiß noch, wie ich als Junge aufhorchte, das war so was wie ein kleiner Schock, daß doch nicht alles so war, wie es hätte sein sollen.
    Ingenieur, 1905
    Von einem Kripobeamten weiß ich, der dienstlich im KZ Börgermoor (Emsland) gewesen ist. An der Toreinfahrt sei eine Hundehütte gewesen, und aus dieser Hundehütte sei, wenn jemand das Tor passiert hätte, ein Sträfling auf allen vieren gekrochen und hätte bellen müssen. Und dieser Sträfling sei der frühere hamburgische Polizeihauptmann Georges gewesen, ein sehr aktiver Reichsbannerredner.
    Kaufmann, 1926
    Nein. Aber mein Vater ist mal auf die Gestapo bestellt worden, und da hat er sich sofort Sachen eingepackt, er dachte, er käm’ nicht wieder.
    Buchhalter, 1928
    Das sind Mißstände, hat man gesagt, der Führer weiß das nicht. Ich war manchmal sehr nahe dran, ihm zu schreiben. Aber er war ja so jenseitig wie der liebe Gott.
    Zahnarzt, 1914
    Man hat das als Einzelaktionen genommen, als Übergriffe. Das Gesamte hat man erst nach dem Krieg erfahren.
    Hausfrau, 1918
    Vorher hatten wir schon mal gehört, meine Eltern und ich, von einem Bekannten, daß er auch plötzlich abgeholt wurde und in ein KZ kam, und das muß ungefähr 1934 gewesen sein. Der hatte eine jüdische Mutter. Aber da hat man damals gar nicht drüber nachgedacht, weil das war alles irgendwie so im Anfang, und jeder hat gedacht, das sind so Ausschreitungen, die vielleicht nicht gerade zu solch fürchterlichem Ende kommen würden.
    Fuhrunternehmer, 1913
    Also, ich hatte sowieso schon etwas Abstand von der Partei gewonnen. Im ersten Lehrjahr 1933/34 waren wir natürlich SA -Leute, unser Chef war in der Partei und Bürgermeister usw., und das war selbstverständlich, daß wir in der SA mitmachten.
    Und dann haben wir auch Saalschlachten gemacht, uns mit Kommunisten geschlagen. Und dann sollte die Arbeitslosigkeit beseitigt werden, und da hat der Chef Arbeitslose eingestellt, die mußten Karpfenteiche ausmoddern, und wir als Lehrlinge fuhren immer die Loren mit einem Pferd weg, und diese Arbeitslosen, das waren Kommunisten.
    Und dann mit’m mal beim SA -Dienst am Sonntagmorgen standen sie in Reih und Glied neben uns. Da hab’ ich gesagt, so was machte ich nicht mit, daß die Leute, die ich tags zuvor bekämpft hätte, mit’m Mal neben mir ständen, und da hab’ ich denn auch noch gesagt: » Nun ist der Alte tot, nun wird es ganz verrückt!« (Damit meinte ich Hindenburg.) Und das wurde auch an höhere Stelle gebracht. Und da hatte sich der Chef nachher für mich noch eingesetzt, sonst wären sie mit mir abgegangen. Und dann kriegte ich nachher ein Schreiben von der SA -Standarte: » Wegen Verringerung der SA aus der SA entlassen.«
    Das war interessant, daß das nachher, 1947 in Jugoslawien in der Kriegsgefangenschaft, daß das bei der Vernehmung wegen Kriegsverbrechen bei den Partisanen genau bekannt war. Daß ich aus der SA entlassen war, das kam mir nachher zugute.
    Hausfrau, 1925
    Schon vor dem Krieg. Ein Mechaniker hat uns ein Radio gebaut, das konnte man sich damals bauen lassen, ein findiger Mensch, klein und unscheinbar war der, der war Kommunist und kam ins KZ und durfte nichts davon erzählen.
    Optiker, 1918
    Man kann sich das heute so schwer vorstellen, daß man damals geschwiegen hat. Es war eben Gefahr für Leib und Seele

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