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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Kirche her, weil man ahnte: Der Hitler hat nichts Gutes mit der Kirche vor. Da waren gewisse Vorbehalte.
    Hausfrau, 1902
    Nein. Wir wußten natürlich, daß es Dachau gab. Da dachte man, daß da die hinkommen, die prinzipiell dagegen sind oder irgendwas sabotieren. Aber sonst, gewußt? Nein.
    Buchhalterin, 1922
    Es wurde davon erzählt. Die Bayern beteten immer:
    Lieber Gott, mach mich stumm,
    daß ich nicht nach Dachau kumm.
    Also von daher– eine Ahnung schon, nicht?
    Lektor, 1916
    Man hat davon gemunkelt; und da ich persönlich sogenannte » Miesmacher« und » Meckerer« kannte, hab’ ich immer wieder davon gehört.
    Ganz allgemein wußte man, daß in Dachau ein KZ ist. 1933 kamen Leute da hin, und es kamen auch welche zurück. Wegen der Ungesetzlichkeit wurde darüber gesprochen. Man war darüber empört, daß Leute ohne Urteil in sogenannte » Schutzhaft« genommen wurden.
    Regisseur, 1923
    Meine Mutter hatte eine Strickmaschine, das ratschte so, das ging durchs ganze Haus und störte die Leute. Und einmal, als die Nachbarin mir deshalb nachkeifte, da habe ich mit 12 Jahren gesagt: » Warten Sie mal, Sie kommen auch nach Dachau!« Da war die furchtbar erschrocken und rannte zur Polizei, und die Polizei kam zu uns und fragte, was wir vorzubringen hätten. Und ich kriegte die Hosen strammgezogen.
    Allein an dem Schrecken konnte man ablesen, was Dachau bedeutete.
    Maurermeister, 1908
    Nichts Konkretes, nur als Drohung. Es ist halt passiert, was soll man machen?
    Hausfrau
    …Sonst kommst du ins KZ – das kam einem immer vor als ob: » Der böse Mann kommt!«
    Pastor, 1928
    Durch Gespräche hab’ ich das mitgekriegt. Als Göring die KZ s mal auflöste, da arbeitete ein entlassener Häftling bei uns, der renovierte unsere Wohnung. Der erzählte meinem Vater davon. Natürlich sollte es ganz geheim bleiben.
    Das muß 1935 gewesen sein.
    Ladenbesitzerin, 1909
    Nein, überhaupt nichts habe ich gewußt, das sag’ ich ganz ehrlich.
    In der Nachbarschaft war eine Familie, wo der Mann in der KPD war, und der kam ins KZ . Zuerst ist das gar nicht aufgefallen, aber als er dann wieder zu Hause war, wurde davon erzählt. Wir hatten das Gefühl, daß er diese Strafe verdient hätte. Es hat keiner gesagt: »Das ist ja unerhört«, sondern jeder sagte: » Man kann ja auch seinen Mund halten und muß ja nicht gerade mit seiner kommunistischen Weltanschauung zerstören, was jetzt der Nationalsozialismus aufbauen will.«
    Er ist auch gefragt worden, wie’s denn da gewesen ist, und da hat er nur die Auskunft gegeben, daß er nicht darüber sprechen dürfe.
    Meine Mutter hatte einen Lebensmittelladen, von daher kannten wir den Mann. Wir haben denn auch nicht weiter gefragt. Wir haben überhaupt im Laden wenig über Politik gesprochen.
    Physiker, 1920
    Nein. Ich weiß nur eine einzige Geschichte. In Jena wurde erzählt, daß die Nazis Wäsche zum Reinigen gebracht hätten, da wär’ Blut drangewesen. 1935/36 war das. Aber das hat man mehr gemeint als gewußt, und man hat sich auch nicht veranlaßt gefühlt, das aufzudecken.
    Chemiker, 1925
    Ich habe! Und zwar ein Drogist in Parchim, ein fetter SS -Mann– die Bäuche in Uniform waren ja am schlimmsten–, der Bursche hat sich damit gebrüstet, im Suff, daß er mal einen totgetrampelt hat, in den 30er Jahren.
    Das hat mein Vater mir damals erzählt, in der Nazizeit.
    Pastor, 1928
    Im Gespräch habe ich sehr häufig davon erfahren. Die Schilderungen waren sehr plastisch. Noch heute haftet ein Bild in mir, wie Häftlinge an der Wand stehen, mit erhobenen Händen, das Horst-Wessel-Lied singen müssen und dabei ausgepeitscht werden. Das Bild habe ich immer im Gedächtnis. Das hat einer erzählt. Sieben Jahre war er da.
    Hausfrau, 1912
    Gesehen. Das ist ’ne dolle Geschichte. Das war 1934, da war einer abgeholt worden, der ist vier Wochen weggewesen, dann ist er wiedergekommen, und der hat seine sämtlichen Hosen zum Schneider bringen müssen. Da sind weder Knie noch Hosenboden dringewesen. Der hat gesagt: Ich darf nichts sagen, ihr seht es ja.
    Molkereimeister, 1923
    Es gingen Gerüchte um, daß da was im Busche war. Die Leute, die aus’m KZ rauskamen, wurden verpflichtet, nichts zu sagen, sonst würden sie wieder hops genommen.
    Verleger, 1903
    Zwei Freunde, die verschwanden. Da wurden die Kleider zurückgeschickt, eines Tages.
    Hotelier, 1905
    Ein Karnevalist in Düsseldorf wurde damals verhaftet. Es hieß: » Der kommt ins KZ .«
    Hausfrau, 1924
    In einem Metzgerladen. Eine Frau

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