Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
sagte: » Ich bin wieder zurück aus dem Konzertlager, es war wunderschön!«
Da fragte ich meinen Vater: » Haben die da Musik gemacht?«
» Frag nicht so dumm…«
Ich seh’ mich noch im Metzgerladen stehen, als die das zu meinem Vater sagt, und dem war das furchtbar unangenehm. Diese Frau, das war so ein Mensch, von dem man sich distanzierte.
Hochbautechnikerin, 1921
Aus patriotischen Gründen hatte ich mir einen Hakenkreuzwimpel ans Rad gebunden. Ich fuhr öfter zu unserem Bauplatz in Rahlstedt » unten« (Eilbeker Weg) entlang. Gegenüber der Hefefabrik in Wandsbek wohnten Zigeuner, und fast jedesmal standen Leute vor der Tür und riefen mir etwas nach. Als sie mich mit Pappen und Steinen bewarfen, sagte ich es dann doch meinen Eltern, worauf mir der Eilbeker Weg verboten wurde, ich mußte » oben« (Wandsbeker Chaussee) bleiben. Nach einiger Zeit stach mich natürlich der Hafer, und als ich wieder » unten« fuhr, waren die Zigeunerwohnungen leer. Irgendwie fragten wir nach und erhielten folgende Antwort: » Die Zigeuner sind im KZ Neuengamme, endlich sollen die mal richtig arbeiten, außerdem sind das alles Kommunisten.«
Lehrer, 1906
Ich erinnere mich an Prof. E., der ist vor dem Krieg ausgewandert, und der wurde am Zoll von meinem Schwager abgefertigt. Sie haben sich noch miteinander unterhalten über alles mögliche, und der ist nicht eigentlich verbittert weggegangen. Da hatte man nicht den Eindruck, daß die schikaniert würden oder dergleichen (1935). Im Mai 1933 war er noch eingesetzt worden an die Stelle eines entlassenen SPD -Mannes und hat bis Oktober die Geschäftsleitung gehabt, das war immerhin bemerkenswert. Und wenn so Greuelgeschichten erzählt wurden, dann sagte man sich: Du weißt nun dies, ist es denn nun wirklich so schlimm?– Man konnte sich keine Vorstellung davon machen, weil man sich selbst doch überhaupt nicht so etwas zugemutet oder zugetraut hätte. Es lag so fern von jeder Erfahrung und so entfernt von der Menschlichkeit, daß man immer gedacht hat: Das sind alles böse Gerüchte.
Apotheker, 1922
Wir hatten einen strengen Lehrer, Jude, der war aktiver Weltkriegsoffizier gewesen, und der war als Altphilologe wegen seiner Strenge und Genauigkeit geachtet. Eines Tages war er von der Bildfläche verschwunden, das ist uns mächtig an die Nieren gegangen.
Kaufmännische Angestellte, 1914
Nein, ehrlich nicht.– Meine Freundin war bei einem jüdischen Anwalt, den kannte ich und den schätzte ich an und für sich sehr, großzügig war er und nett. Und daran kann ich mich noch erinnern, daß sie eines Tages ganz entsetzt zu mir kam und sagte: den Sowieso haben sie weggeholt! Da der nun an und für sich deutscher Offizier gewesen war und auch in Deutschland geboren war, haben sie den dann bald wieder freigelassen, hatten ihm aber die ganzen Haare abgeschnitten.
Daraufhin hat dieser Mann alles aufgelöst und hat sich über Nacht in die Schweiz abgesetzt.
Hotelier, 1904
Ich war im Hotelfach, da hatten wir 75 Prozent jüdische Gäste, und die haben uns oft ihr Leid geklagt. » Wir haben Auszeichnungen gehabt, und nun scheren sie uns die Haare.« Ein, zwei Tage später waren sie weg.
Karikaturist
Ich mußte meinem Onkel Englisch beibringen, als Junge, weil er als Jude auswandern wollte. Nach einem Jahr wollte er raus, aber da haben sie ihn am Bahnhof verhaftet.– Als er noch nicht weg war, bin ich da immer hingegangen und hab’ auch das Essen gegessen, was die kriegten, Pferdefleisch. » Junge, geh da nicht hin!« sagten meine Eltern.
Später habe ich den dann noch gesehen mit der Schaufel.
Postbeamter, 1928
Meine Tante hatte einen jüdischen Mann, der war Professor und starb Gott sei Dank rechtzeitig. Meine Tante hat bis zum Kriegsende die Pension gekriegt. Hat herrlich und in Freuden gelebt, man hat ihr nicht nachgestellt.
Hausfrau, 1898
Natürlich! Meine Mutter ist eine reinrassige Jüdin; die wohnte bei mir im Hause, und ich hatte immer Angst, daß sie abgeholt werden könnte, ist aber nicht abgeholt worden, weil mein Vater ein bekannter Mann war. Aber ich habe fürchterliche Angst gehabt.
Pressezeichner, 1920
Nein. Aber vielleicht interessiert Sie dies: Eine jüdische Familie lebte in der Nachbarschaft. Der Mann war Kaufmann, der hatte eine sehr charmante Tochter, die ich von fern gern angeguckt habe, aber ohne Aussicht auf Erfolg, weil ich jünger war als sie.
Die Frau machte einen Selbstmordversuch. Die Tochter klingelte bei uns, heulend, fassungslos, meine
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