Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
wurde das genannt. Der Baum steht noch da, den können Sie noch sehen. Wir mußten alle hin, und die Polen, die hier auf den Dörfern arbeiteten, mußten auch hin und sich das ansehen. Der Frau haben sie die Haare abgeschnitten, sonst ist ihr nichts passiert.
Sie hatten den Polen auf einen kleinen Tisch gestellt, und dann hat der Parteibonze da den Tisch umgestoßen. Und dann hat der noch dazu gelacht.
Angestellte
Beim Zahnarzt, ich hatte eine Zahnregulierung und hörte zu, was die Frauen sich im Wartezimmer erzählten. Einmal sagten sie, daß da ein Lastwagen durch Weimar gefahren wäre und daß die Klappe aufgegangen wäre und Leichen herausfielen. Da sagte die eine Frau: » Ja, das gibt es öfter.« Als sie merkten, daß ich zuhörte, waren sie still.
Arzt, 1922
1941 hab’ ich zum erstenmal von der Vernichtung psychisch Kranker gehört, ein Arzt erzählte mir das.
Pensionär, 1911
Im Winter 1941 kam ich nach Berlin, nach Oranienburg, und da war ein KZ . Das sahen wir von außen, wir hörten nichts. Wir nahmen das hin. Hörten nichts, sahen nichts. Hörten keinen Lärm, keine Schüsse. Sahen auch nur eine hohe Drahtmauer. Und dann erinnere ich mich auch an einen Turm. Aber uns ist nie der Gedanke gekommen, daß dort fürchterliche Grausamkeiten vorkämen. Der Schock über diese Vorgänge kam erst nach dem Krieg.
Germanist, 1923
Ich meldete mich zur Waffen- SS , als Sechzehnjähriger. Ich dachte, ich geh’ zu den Nachrichten, und da bin ich Spion.
Ich kam nach Oranienburg, da war eindeutig ein KZ . Da saß der Niemöller, das sagte uns der Unteroffizier.
Zum Fotografieren für unsere Paßbilder wurden wir durch die Mauer geführt. Da war ein Graben, in dem Tiere herumliefen.
Da war ein Blockhaus, das wie eine Villa aussah: » Da wohnt Niemöller.«
Ein Gefangener fotografierte uns. » Es ist verboten, Nahrungsmittel herumliegen zu lassen oder zu verschenken«, wurde uns gesagt.– Ich wußte nicht, was da drinnen passiert, aber ich hatte eine klare Vorstellung davon.
1941 muß das gewesen sein.
Journalist, 1924
Ich war in der Hitlerjugend, und im Wälzheimer Wald hatten wir irgendeine Fahrt, und dort war ein KZ , kein großes, und da hatte eine Fabrik ihre Arbeitssklaven gehabt. Wie’s da zuging, das habe ich nicht gewußt. Es wurde uns gesagt: » Das sind Verbrecher und Homosexuelle«, das war 1941, aber direkt gesehen habe ich sie nicht.
Beleuchter
Es war bekannt, daß das KZ Dachau bestand. Das wußte sogar unser Lehrer: » Wenn Sie so weitermachen, werden Sie noch in Dachau landen. Vielleicht sollte man Sie auch als Demokrat über England abschmeißen.«
Germanist, 1928
Als Kinder, die Drohung, du darfst nichts sagen, sonst kommst du ins KZ . Wir hatten einen Hausmeister, der war mal im KZ gewesen, den haben wir immer angeguckt, wir wußten nicht, wie wir zu dem stehen sollten.
Volkshochschuldirektor, 1925
Mein Lehrer hatte das goldene Parteiabzeichen, der sagte: » Ihr könnt ja nun dafür sorgen, daß ich ins KZ komme, nachdem ich dies und dies gesagt habe…«
Das war damals was Besonderes, daß einer das aussprach, und das hat mir Eindruck gemacht. Das war ja kritisch gemeint.
Ein anderer, einfacher » Volksgenosse« hätte vermutlich das nicht sagen dürfen. Aber der mit dem goldenen Parteiabzeichen, der konnte sich das erlauben.
Cutterin
In der Straße, in der ich wohnte, hatte ich meine hundertprozentige Sexualaufklärung empfangen. Da sagte ein Mädchen, die war schon etwas älter, sie hätte in Buchenwald einen Erste-Hilfe-Kurs mitgemacht und dort an den Toten den Eintritt des Todes gelernt. Das sagte sie damals. Ich seh sie noch so zwischen den Pfosten stehen.
Biologe
Als Pennäler bin ich mal in eine KZ -Dependance hineingeraten. Bei einem Sommerausflug, 1941, fuhren wir aus der Stadt heraus und an einen See, beobachteten dort Haubentaucher und Pirole– ich bin nämlich schon als junger Mensch ein begeisterter Ornithologe gewesen–, ein wunderschöner, heißer Tag. Dann hatten wir Durst und sagten: » Los, wir trinken noch Wasser auf dem Bauernhof.«– Als wir auf den Hof fuhren, waren da Frauen in hängender, zerfetzter Kleidung, kahlgeschorene Frauen. Ich hab’ zu den Jungens gesagt: » Trinkt schnell, dann fahren wir weiter.« Die Bewacher ließen uns auch ohne weiteres da trinken.
Kahlgeschorene Frauen: Irrsinnig ist das, wenn man das zum erstenmal sieht, ist das genauso ein Schock, wie wenn man zum erstenmal die Y-Behaarung einer Frau sieht. Zu Haus hab’ ich
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