Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
Aber im Osten, Maidanek und so weiter, die waren einem nicht geläufig.
Archivar, 1920
Gehört immer, und zwar schon sehr bald eigentlich. Das Wort » Dachau« kam schon um 1940 vor. Wir hatten weitläufige Bekannte, die eingesperrt wurden oder in Schwierigkeiten gerieten.
Angestellter
Konzentrationslager, das waren » Aufbewahrungslager« für Leute, die eine Abneigung gegen den Hitlerstaat hatten, dachten wir damals. Zwar ungesetzlich, aber immerhin. Nicht Vernichtungslager. Von » Vernichtungslagern« haben wir nie etwas gehört.
Tischler
Gesehen hab’ ich nix, nur ’ne Mauer. Es hieß, das sei ein Gefangenenlager. Nur die Mauer und einen Zaun konnte man sehen.
Da kam auch oft ein widerlicher Geruch. Es hieß: Da wird desinfiziert.
Aus den umliegenden Dörfern arbeiteten dort Männer als Bewacher, die durften überhaupt nichts erzählen, die wurden mit dem Tode bedroht.
Es hieß: » Gefangenenlager«– daß es ein KZ war, erfuhren wir erst später. Da wurden dann alle Dörfer geräumt, und die KZ ler konnten da hausen, aus Sühne.
Behördenangestellte, 1921
Nee. Ich habe nie was davon gehört. Nie, nie, nie, nie. Ich war nach dem Krieg so überrascht!
Ich bin mal nach München gefahren, das war nachts, da sind wir umgeleitet worden, und ich hab’ durch Fenster geillert, und da war was mit Scheinwerfern und Zäunen, lauter Baracken, hell angestrahlt. Und da hab’ ich im Zug gefragt, aber die waren ganz komisch, haben nichts gesagt. Ich hab’ dann auch meinen Mann gefragt: » Hast du denn nie davon gewußt?«– » Nö.«
Hausfrau, 1925
Ja. Arbeitslager, das wußte man. Es wurde erklärt, daß Menschen, die anders dachten oder arbeitsscheu waren, dahin gebracht würden, und mit der Erklärung hab’ ich mich zufriedengegeben. Ich hab’ weder jemand vermißt, noch hab’ ich erfahren, daß mal einer wiederkäme.
Mit unserer Jugendgruppe machten wir an manchen Feiertagen Ausflüge, und zwar nach Stuthof, wo ich nachher erfuhr, daß da ein KZ gewesen ist, und da stießen wir bei unsern Ausflügen an eingezäuntes, weites Land, wo keine Menschen zu sehen waren und auch keine Transporte oder Schornsteine noch sonst was.
Und dann hieß es eben: » Da ist dieses«– weit hinten– » dieses Lager, Arbeitslager« für Leute, die’s nötig hätten.
Ein Mann, 1909
Daß es in den KZ s so aussah, wie man es nach 45 erfuhr, das konnte man sich natürlich nicht annähernd vorstellen. Ich weiß nur, daß ein Bekannter zur Waffen- SS eingezogen wurde. Der hatte das richtige Gardemaß (das waren ja die zukünftigen Zuchtbullen der Nazis), und dann kam der Polenfeldzug, und da ist er abkommandiert worden, und der Junge, als er dann auf Urlaub kam, da war er völlig niedergeschlagen und durcheinander, daß man ihn zu solchem Posten abkommandiert hatte, irgendwo in Polen zu den Vernichtungslagern.
Was sich in Deutschland in den KZ s abgespielt hat, das war ja wahrscheinlich noch human gegen diese Vernichtungslager.
Und der Junge, der hat sich dann geäußert, er wolle versetzt werden, das hielte er nicht durch. Und der hat sich selbst ’ne Kugel in’n Kopf geschossen, weil man ihm das verweigert hat.– Das war aber wohl ein Einzelfall. Ich erwähne das auch nur, um darzustellen, wie man als harmloser Volksgenosse etwas davon hörte, ohne daß man sich etwas Genaues darunter vorstellen konnte. Die Ausmaße.
4
Redakteur, 1927
Mein Gedächtnis ist sehr lückenhaft …
Es liegt ja irre lange zurück. Noch weit vor der Pubertät.
Es muß ein strenger Winter gewesen sein, vielleicht 1940 oder 1941, der Verkehr brach wegen des Vereisens und des Schnees zusammen. Da wurden die Hausgemeinschaften eingesetzt zum Freimachen der Straßen, und zusätzlich kamen Trupps von Leuten, die Häftlingskleidung trugen. Mit denen arbeiteten wir Hand in Hand. Dabei erfuhr ich, daß das Leute aus dem KZ sind, ohne damit allerdings eine nähere Vorstellung zu verbinden. Daß das Gefangene sind … Anstaltskleidung, so ähnlich wie Pyjamas, aber breiter gestreift.
Sie mögen kahlrasiert gewesen sein.
Krankenschwester, 1931
Und dann in dem einen schneereichen Winter, da schippten die Häftlinge die Straßen frei. Die waren hungrig.
Als Kind versteht man ja nichts von Grausamkeiten. Daß die nun Strafe verdient hätten. Es kam einem eher umgekehrt vor, die taten einem eher leid, wie sie da standen in ihren Holzpantinen und Schnee schippten.
Redakteurin, 1933
Obwohl ich erst acht Jahre alt war … Wir sind ausgebombt
Weitere Kostenlose Bücher