Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
dahinter her.
    In Galizien, da waren Juden, die haben Holz getragen. Da hat ein Russe zu mir gesagt: » Paß auf, morgen werden die alle erschossen.« Aber die Russen waren ja genauso schlimm.
    Lastfuhrunternehmer, 1922
    Ein älterer Mitschüler, der » überjährig« war und schon 1940 zum Barras kam, der besuchte uns mal in der Klasse, wie das so war, und der Lehrer fragte: » Wie ist es da draußen?« Und da hat der ganz offen erzählt: » In Rußland werden Tausende erschossen.«
    Der Lehrer versuchte das dann irgendwie zu überspielen.
    Chemiekaufmann, 1921
    Erschießung von Juden in der Ukraine hab’ ich gesehen. Das war 1941 in Alexandria, zwischen Human und Poltawa, man kann es auf der Karte finden. Wir hatten dort einen Feldflugplatz besetzt.
    Wir hatten sonntags Ausgang und sahen, wie die Juden aus ihren Häusern getrieben wurden, der Arbeitsdienst holte die aus den Häusern heraus, von den Ukrainern denunziert: » Da Jud’.« Wie sie gingen und standen, so holte man sie aus den Häusern heraus, manche sogar im Nachthemd, drei kranke bettlägerige Frauen. Eine hatte sogar einen Wertgegenstand mit bei sich, eine Tischlampe.– Wir haben uns daran nicht beteiligt.
    Sie wurden in der Kommandantur zusammengetrieben, das war ein großes Haus mit Toreinfahrt. An der Toreinfahrt stand der Arbeitsdienst Spalier, mit Knüppeln, und die schlugen auf die z. T. alten Leute ein. Auf dem Hof wurden sie zusammengetrieben und wurden auch geschlagen.
    Hinter der Kommandantur war ein Massengrab, das mußten sie öffnen, das war von den Kommunisten wohl noch. Sie mußten die halbverwesten Leichen herausholen, ich sehe noch, wie sie die auf dem Buckel heraustrugen. Der Geruch war unbeschreiblich. Der Leichengeruch war noch abends in unsern Taschentüchern, das hab’ ich festgestellt.– Die Leichen wurden in ein neues Massengrab geworfen.– Am nächsten Morgen hörten wir, noch vor unserm Wecken, so gegen fünf Uhr, daß auf unserm Schießstand geschossen wurde, und es wurde uns berichtet, daß dort Juden liquidiert würden. Der Staffelkapitän hat uns zusammengerufen und hat uns gebeten: » Wir halten uns sauber und halten uns da heraus. Damit haben wir nichts zu tun.«
    Die übrigen Juden sind in den Keller der dortigen Post getrieben worden, so daß sie dort fast übereinanderlagen. Vorbeigehende Soldaten haben gesehen, daß sie nach Luft schnappten. Diese Juden wurden zwei Tage später in von ihnen selbst ausgehobenen Massengräbern erschossen. Es wehrte sich keiner. In Erinnerung ist mir noch ein kleiner Junge, der sich mehrmals losriß. Ein hocheleganter SS -Offizier beobachtete die Szene mit seiner Freundin. Er hatte einen Pelzkragen auf dem Uniformmantel. Fast möchte ich behaupten, er hatte auch einen Hund.– Obwohl es uns verboten war, dahin zu gehen, es zog uns magisch an. Ich war neunzehn. Das war wohl Sensationslust und daß man das nicht glauben konnte. Damals glaubte ich, es wäre gerecht, wenn wir den Krieg verlieren.
    Hausfrau
    Schon am Anfang des Rußlandfeldzuges. In Tilsit hatten wir eine Menge Soldaten, und im Quartier hatten wir einen Hauptmann, der stand schreckensbleich in der Tür, der erzählte uns, er sei an einem Erschießungsplatz vorbeigekommen. Dort hatten sie eine Kuhle ausgehoben, und die Juden oder Polen fielen da rein. Er wollte das bei meinem Mann– der war Rechtsanwalt– zu Protokoll geben. Das hat er auch getan, aber man konnte ja nichts machen.
    Wir hatten viele Juden in Tilsit, und es wurde gemunkelt, die würden in Lagern zusammengezogen.
    Unterschwellig bekannt war es, das muß man sagen.
    Ingenieur
    1941 sagte ein Bahnbeamter zu mir: » Wir haben gestern Schießübung gehabt. Da liefen zwei Polen durch die Gegend, die haben wir gleich mit umgeschossen.«
    Da sagte ich: » Hören Sie, dies ist nicht unsere Art, Krieg zu führen.«
    Regisseur, 1923
    Ja, gehört davon. Als Soldaten. Aber wir konnten das gar nicht glauben. Ein Soldat zum Beispiel, der durfte doch nicht angefaßt werden, so übertrieben war das doch: » Darf ich Sie anfassen?« Ganz humaner Staat. Und dann dies?

5
    Antiquitätenhändler
    Wenn ich heute so in meinem schönen Haus sitze, warm und mit all meinen Sammlungen, dann kann ich mir vorstellen, wie den Juden damals zumute gewesen sein muß, als an die Tür geklopft wurde, alles raus! Und sie sahen es dann nie wieder.
    Schriftsteller, 1922
    Als ich verwundet war, bin ich im Elsaß gewesen. Und wir, zehn, zwölf Offiziere, wir sind zum Essen in ein sehr schön

Weitere Kostenlose Bücher