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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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worden, und ganze Straßenzüge kamen in verschiedenen Luftschutzkellern zusammen, und da waren weibliche KZ -Häftlinge dabei, und die Erwachsenen sagten: » Die kommen aus dem › Konzertlager ‹ .«
    Die bekamen Sachen geschenkt, und wir wußten, was das bedeutet: KZ .
    Kaufmann
    Es klingelte, und da steht einer vor der Wohnungstür, in gestreifter Kleidung, und bat mich um was zu essen. Der Wachtmann stand unten und hatte ihn raufgelassen, hat das wohl geduldet.
    Der Häftling war SS -Mann gewesen, das sagte er mir, und das fand ich frappierend. Befehlsverweigerung oder Feigheit vielleicht. Dafür wurden die ja sofort bestraft.
    Fahrer
    Ein kleiner Wachtmann mit riesigem belgischem Beutegewehr. Ich ging mit der Mutter spazieren, da sah ich den, wie der da so Gestalten bewacht.
    » Welches Datum?« fragte uns plötzlich einer.
    Das sind ja Deutsche! dachte ich da.
    Redakteur, 1917
    Nein. Nie was zu Gesicht bekommen. Ich war seit 1937 bei der Marine.
    Es ging das Gerücht um, daß das existiert, aber Genaueres wußte kein Mensch.
    Kaufmann, 1920 (?)
    Nein. Ich war bei der Marine, und zwar war ich Kommandant eines Minensuchers. Ich war ganz im Norden von Norwegen, wo Dietl war. Und von da oben haben wir immer die Urlauber mitgenommen, die Österreicher, und die fuhren immer sehr ungern mit dem Schiff, die hatten Angst vorm offnen Wasser. Unter den Österreichern waren welche, die in der Mannschaftsmesse beim Trinken erzählt haben, daß sie mal gesehen hätten, daß im Osten Juden erschossen wurden.
    Ich war so empört! Ich hätte schreien mögen vor Entrüstung. Kein Deutscher tut so was!
    Daß es im KZ kein Honigschlecken war, das haben wir gewußt, aber daß da laufend umgelegt wurde, das nicht.
    Kaufmann, 1918
    Ich war bei der Marine und habe absolut nichts gewußt. Einmal kam ich auf Urlaub, nach Berlin, und geh’ in meinem dunklen Mantel einen ehemaligen Lehrer in der Nachbarschaft besuchen. Ich klingel, und dann wird ganz schüchtern aufgemacht, und als er mich sieht, schlohweiß! Erstarrt! Was war? Er war Jude und dachte, ich kam von der Gestapo und wollte ihn holen. Ich hab’ bei ihm gesessen, aber er konnte sich die ganze Zeit von dem Schreck nicht erholen.
    Ich hab’ mir das erst viel später erklären können.
    Kaufmann, 1901
    Das war doch ’ne schreckliche Zeit. Wenn es klingelte– man wußte ja nie, wer es war.
    Vertreter
    Als Jungs machten wir » Schellekes«, wie das hieß, wir schellten also an den Türen und paßten auf, was die Leute dann sagten, ob sie schimpften oder empört waren. Bei diesen » Schellekes« haben wir dann auch bei einer jüdischen Familie geschellt, und da ärgerten wir uns, daß die nicht reagierten. Später hörten wir dann, daß die zu Tode erschrocken waren. Meine Mutter hat mich verhauen.
    Ein Mann, 1923
    Als die KZ s eingerichtet wurden, war ich ja noch ein junger Mensch, und wir lebten als junge Leute an sich mit Idealen. Gesagt hat man uns nichts.
    Das erste Mal 1940/41, da war am Plöner See die Ausbildung der Marinekadetten, und da war mal ’ne Meuterei, und da hieß es: » Die hat man ins KZ gesteckt.«
    Aber daß dies Folgen gehabt hätte, wie man’s dann später erfahren hat, das ist nie bekannt gewesen. Das einzige war eben, wenn ich daran denke, daß mein Vater, der ein großer Nazigegner war, daß wir Angst hatten: » Den stecken sie mal ins KZ «, denn das Wort » KZ « war so weit geläufig, daß man dachte, daß die Leute da mit einer Gehirnwäsche versehen würden, um sie umzufunktionieren. Die wurden abgeholt, kamen in ein Lager, und nach einer gewissen Zeit konnte man davon ausgehen, daß es wieder okay war.
    Arbeiter
    Von meinem Vater hab’ ich mal was gehört, 1941, daß man Leute in Hamburg auf dem Polizeipräsidium geschlagen hätte. Das wurde hinter der hohlen Hand mitgeteilt. Dem einen hatten sie ein Auge ausgeschlagen.
    » Um Gottes willen, du darfst davon nichts erzählen!«
    Der eine kam nie wieder.
    Bauersfrau, 1912
    Ein Pole, der war zwei Monate verschwunden, der war im KZ gelandet. Und da hat mein Vater eine Eingabe gemacht, daß er ihn für die Ernte braucht, und ist hingefahren und hat den Polen geholt. Das vergeß’ ich nie, wie der da in der Ecke saß, das vergeß’ ich nie. Haferflocken haben wir ihm gegeben, weil er nichts essen konnte. Er hat uns seinen Körper gezeigt, aber hat gesagt: » Chef, nichts sagen.«
    Bauersfrau
    Im Nachbardorf wurde ein Pole aufgehängt, weil er es mit einer Deutschen getrieben hatte. Rassenschande

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