Habgier: Roman (German Edition)
»Hinter seiner Maskerade als Schwein steckt tatsächlich ein Schwein, aber eher ein vietnamesisches Hängebauchschwein als ein wilder Keiler. Oliver ist verdorben und schmutzig, aber dann auch wieder ganz niedlich und stubenrein.«
Euer Ehren, Richterin Carla Puhl, schien sich mehr für ihre langen feuerroten Fingernägel als für Deckers Antrag auf einen Durchsuchungsbefehl zu interessieren. Da ihre Robe an einem Garderobenständer hing, hatte man freien Blick auf ein rotes ärmelloses T-Shirt und einen Jeans-Minirock. Sie hob eine ihrer roten Krallen hoch, unterbrach ihn mitten im Satz und deutete auf einen Stuhl.
»Setzen Sie sich, Lieutenant.«
Decker folgte der Aufforderung, während Marge und Oliver versuchten, sich im Hintergrund unsichtbar zu machen. Sie drückten sich an die holzgetäfelte Wand und überließen alles Weitere in dieser heiklen Angelegenheit ihrem Chef.
Richterin Puhl sah sich die notariell beglaubigten Aussagen durch und schüttelte den Kopf. »Sehe ich das richtig? Ein pinkfarbenes Handy ist alles, was Sie diesem armen Trottel vorzuwerfen haben?«
»Euer Ehren, seine Ehefrau wird seit vier Monaten vermisst. Sie wollte sich scheiden lassen und ihn aus ihrem Leben streichen. Ihr gehörte das Apartment, alle Guthaben liefen auf ihren Namen, und sie bezahlte fast alle Rechnungen. Dazu kommt noch, dass ihr Mann fremdging, unter anderem mit einer Stripperin. Er hatte über fünfzehntausend Dollar Schulden in ihrer Strip-Bar, die er ganz bequem tilgte, indem er sein Auto verkaufte und Roseannes Schmuck versetzte. Jetzt fährt er ihr BMW-Cabrio.«
»Und was hat das alles mit einem pinkfarbenen Handy zu tun?«
»Dresden hat zugegeben, dass Roseanne und er einen Tag vor ihrem Verschwinden einen Riesenstreit hatten. Als Sergeant Dunn ihn zu dem Streit befragte, fiel ihr ein Stift aus der Hand, und sie entdeckte das pinkfarbene Handy...«
Wieder unterbrach ihn die Richterin mit einer Handbewegung. »Wozu brauchen Sie dieses Handy, Lieutenant?«
»Ivan Dresden behauptete zuerst, es sei sein Handy. Als dann offensichtlich war, dass es nicht sein derzeit von ihm genutztes Telefon ist, schwenkte er um und sagte, es sei ein Handy, das er vor langer Zeit verloren hätte.«
»Er besaß ein pinkfarbenes Handy mit Gänseblümchen drauf?«
»Wir fanden das auch ziemlich fragwürdig.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Wozu brauchen Sie dieses Handy?«
»Zum einen würde ich gerne überprüfen, ob es das von Roseanne zuletzt benutzte Handy ist, was nicht weiter schwierig sein dürfte. Wir müssen nur die Daten ihrer letzten Gespräche auswerten. Eine einfache Sache... um zu überprüfen, ob ihr Mann lügt oder nicht. Wenn es dann tatsächlich Roseannes aktuelles Handy ist, wäre damit bewiesen, dass sie am Tag des Absturzes in der Wohnung war.«
»Dass ihr Handy am Tag des Absturzes da war, nicht unbedingt sie selbst.«
Decker schwieg.
»Selbst wenn Roseanne da war«, fuhr Puhl fort, »heißt das nicht, dass sie nicht bei dem Absturz ums Leben kam. Sie könnte nach Hause gefahren sein, ihr Handy verloren haben und zum Flughafen zurückgekehrt sein.«
»Wir haben die Fahrzeit überprüft, Euer Ehren«, erwiderte Decker. »Wenn sie sich sehr beeilt hätte und mit fast hundert Stundenkilometern durchgekommen wäre, wären ihr fünf Minuten geblieben, jedoch nur bei null Verkehrsaufkommen und bei auch nur fünf Minuten Aufenthalt in ihrer Wohnung. Sie wäre aber frühmorgens unterwegs gewesen, und wir alle wissen, wie der Verkehr auf dem Freeway zu dieser Zeit ist.«
»Hm...« Richterin Puhl tippte mit ihren Nägeln auf ihren Schreibtisch. »Also gut, Lieutenant, ich biete Ihnen Folgendes an: Sie bekommen einen Durchsuchungsbefehl, um das Handy sicherzustellen, das Sergeant Dunn und Detective Oliver in diesen notariell beglaubigten Aussagen beschreiben. Überprüfen Sie Ihre Theorie. Wenn es nicht Roseannes zuletzt benutztes Handy ist – also ein altes -, dann ist die Suche hiermit beendet. Wenn es ihr aktuelles Handy ist, dürfen Sie weitersuchen.«
»Euer Ehren, wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass Mr. Dresden das Beweismittel zerstört oder beiseitegeschafft hat.«
»Dann wäre er selbst schuld! Er lebt im 21. Jahrhundert und weiß, dass mit solchen Dingen nicht zu spaßen ist. In diesem Fall würde ich Ihrem Team erlauben, das Apartment zu durchsuchen, aber mit Einschränkungen, Lieutenant. Kein Blick auf Fingerabdrücke, Fasern, Haare oder auf winzige Blutspuren. Die
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