Habgier: Roman (German Edition)
angerufen, den sie im letzten Jahr angerufen hat. Wir waren in San Jose und haben mit Leuten geredet, die sie dort kannte...«
»San Jose ist pure Zeitverschwendung. Sie wissen, dass es der Mistkerl war.«
»Farley, wir haben einen Durchsuchungsbefehl erwirkt und jede Wand, alle Böden und Fasern in der Wohnung Ihrer Tochter untersucht. Wenn Roseanne etwas zugestoßen ist, dann jedenfalls nicht dort. Wir haben Tage gebraucht, um Ivans altes Auto aufzuspüren, und das Ding kriminaltechnisch von innen und außen unter die Lupe genommen, und wir haben nichts gefunden. Wir haben Leute in dem Apartmenthaus wieder und wieder befragt, ob sie sich nicht vielleicht doch an etwas erinnern. Wir sehen ständig unsere Notizen durch. Aber bis jetzt haben wir keinen rauchenden Colt oder bloß Indizienbeweise, geschweige denn einen Tatort. Und trotzdem geben wir nicht auf.«
Lodestone schwieg.
»Sind Sie noch dran?«, fragte Decker.
»Ja, bin ich. Es kotzt mich einfach an, dass Sie Nachforschungen über eine Tote anstellen, statt nach meiner Tochter zu suchen.«
Roseanne war nicht Deckers einziger Fall. Und Jane Doe auch nicht. Im Moment jonglierte er mit dreißig Beamten für Hunderte von Fällen herum. Was sollte Decker sagen, um den Mann davon zu überzeugen, dass er sein Bestes tat?
Die Antwort lautete: nichts.
Und wäre er, da sei Gott vor, in der gleichen Situation wie Farley Lodestone, er würde sich genau so verhalten.
»Farley, ich tue, was immer in meiner Macht steht.«
»Nun, das reicht eben nicht.«
»Ich weiß, Farley, Sie sind enttäuscht...«
»Ich bin stinksauer!«
»Ich kann es Ihnen nicht verübeln, und ich wünschte, ich hätte Neuigkeiten für Sie...«
Lodestone legte einfach auf.
Decker verdrehte die Augen und schmiss den Hörer aufs Telefon. Er tat, was er konnte, aber Farley hatte recht: Es reichte nicht.
Mangelnder Erfolg war zum Kotzen.
Am siebten Tag nach der Veröffentlichung von Rusty Delgados Artikel nahm Marge einen Anruf in Sachen Jane Doe entgegen, der Anlass zu mehr als nur Hoffnung gab. Sie schnippte mit den Fingern und erlangte Scott Olivers Aufmerksamkeit, so dass sie tonlos mit dem Mund ein »Hol Decker!« formen konnte. Eine Minute später hatte sich Decker dazugeschaltet. Er stellte sich vor, und Marge bat die Anruferin, ihre Angaben zu wiederholen.
»Mein Name ist Cathie Alvarez, und ich rufe wegen der Jane Doe in der Zeitung an...«
Sie zögerte, und Decker füllte das Schweigen aus. »Vielen Dank für Ihren Anruf, Ms. Alvarez. Was möchten Sie mir mitteilen?«
»Na ja, es ist schon eine ganze Weile her. Aber ich muss Ihnen sagen, dass sie meiner älteren Cousine Beth ziemlich ähnlich sieht.«
»Gut, und wie genau?«
»Das Bild in der Zeitung, das mit der Oma-Brille und der Farrah-Fawcett-Majors-Frisur. Beth hatte genau diese Frisur, nur eben mit dunklen Haaren, aber das hatten viele. Es ist der Stimmungsring, Beth trug immer einen Stimmungsring. Nicht dass sie ihn gebraucht hätte. Beth war so ein positiver Mensch, sie lächelte nur.«
Decker wurde immer aufgeregter und nahm sein Notizbuch zur Hand. Lauren hatte gemeint, dass Jane Doe eine Latina sein könnte, und der Name Alvarez passte genau ins Raster. »Hätten Sie ein Foto von Beth?«
»Nein, tut mir leid, ich besitze keins. Aber ich habe meiner Mutter – Beths Tante – den Artikel gemailt. Mom und ich haben mehr als eine Stunde lang über das Foto geredet. Sie stimmt mir zu. Wir glauben beide, dass es Beth ist, trotzdem haben wir es bisher nicht meiner Tante oder meinem Onkel gesagt. Wenn es nicht Beth ist, na ja, Sie können sich sicher vorstellen, wie schrecklich wir uns fühlen würden, die alten Wunden wieder aufzureißen.«
»Darf ich fragen, wer Ihre Tante oder Ihr Onkel sind?«
»Sandra und Peter Devargas. Sie sind jetzt über siebzig, aber fit. Sie haben noch fünf andere Kinder und viele Enkel, doch das alles kann Beth nicht ersetzen.«
»Natürlich nicht.«
»Ich bin mir sicher, sie wüssten gerne Bescheid... würden sie gerne richtig begraben, wenn sie es ist...«
Die Stimme am anderen Ende der Leitung erstickte.
»Bitte entschuldigen Sie, bestimmt hatten Sie Dutzende von Anrufern, die alle glaubten, dass die Person auf dem Foto ihnen nahestand.«
»Das ist richtig, aber wir nehmen jeden Anruf sehr ernst. Was geschah mit Ihrer Cousine?«
»Sie und ihr Ehemann haben sich vor zweiunddreißig Jahren in Luft aufgelöst.«
»Können Sie sich an den Tag, Monat oder das Jahr erinnern?«
»Im
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