Habgier: Roman (German Edition)
und droht, meinen Schreibtisch zu übernehmen. Von den anderen Kollegen und ihren Fällen mal ganz abgesehen. Ich sehe euch dann um zwei Uhr in der Crypt.«
»Was passiert in der Crypt?«, fragte Oliver.
»Wir lassen Manny Hernandez virtuell am Computer altern«, brachte Marge Oliver auf den letzten Stand der Dinge und zeigte ihm die Bilder von Martin Hernandez. »Es wäre doch nett, wenn wir den Bruder Belize Hernandez auch noch einreihen könnten. Er hat Mannys Alter und sieht ihm vielleicht ähnlich.«
»Spielt das eine Rolle?«, fragte Oliver. »Ich dachte, die computergesteuerte Alterung basiert auf einem vorgefertigten Programm?«
»Man beginnt mit der Standardsoftware, aber dann schaltet sich der Gesichtsrekonstrukteur ein«, erläuterte Decker. »Tatsächlich ist eine Menge Intuition mit im Spiel.«
»Gut zu wissen«, meinte Marge. »Ein Computer ist eine wunderbare Sache. Er bildet ab, er kopiert, aber soviel ich weiß, kann er nichts selbst erschaffen.«
Decker atmete einmal tief durch und drückte dann auf den blinkenden Knopf. »Hallo, Farley, wie geht es Ihnen?«
»Wie immer, Lieutenant. Deshalb mein täglicher Anruf, um Sie daran zu erinnern, dass es mich gibt und dass Roseanne uns fehlt.«
»Ich bin an dem Fall dran. Zurzeit gehen wir zum zweiten Mal in ihrem Wohnblock von Tür zu Tür und versuchen noch einmal, irgendeinen Zeugen aufzustöbern, der im Zusammenhang mit der Wohnung Ihrer Tochter irgendetwas gesehen oder gehört hat. Die Wohnanlage ist riesig, Farley, und die Leute kümmern sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf.«
»Keine Ahnung, warum Sie sich mit Zeugen rumschlagen«, sagte Farley, »schnappen Sie sich einfach den Mistkerl und prügeln Sie ein Geständnis aus ihm raus.«
»So funktioniert das leider nicht.«
»Dann schwatzen Sie dem Scheißer ein Geständnis ab.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach. Und wir beide wissen, dass es das nicht ist.« Farley murrte weiter vor sich hin. Decker hatte wieder im Hinterkopf, wie gerne er Farley und Peter Devargas miteinander bekannt gemacht hätte. Sollen doch die beiden zusammen die Welt verfluchen. »Farley, der offizielle Abschlussbericht der Ermittlungen in Sachen Flug 1324 wird in ungefähr einer Woche erwartet. Wenn Roseannes sterbliche Überreste bis dahin nicht auftauchen...«
»Sie wissen genau, dass sie nicht auftauchen werden.«
»Die Sache ist die, Farley: Erst wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, können wir uns an die Öffentlichkeit wenden. Vielleicht meldet sich dann erst jemand, der uns etwas mitteilt, was wir noch nicht wissen.«
»Und was zum Beispiel?«
»Keine Ahnung, Farley. Manchmal gestehen Mörder ihr Verbrechen Freunden oder Geliebten. Manchmal brüsten sie sich sogar damit.«
»Eine Frage nur, Lieutenant. Sagen Sie mir, wem Ivan sich anvertrauen sollte?«
»Wir bewegen uns hier auf dem Boden von Theorien, denn wir haben keinerlei Beweise für Ivans Beteiligung. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass er sich einem engen Freund oder Verwandten anvertrauen würde. Möglicherweise sogar seiner Freundin?«
»Sie meinen die Stripperin? Dann schnappen Sie sich diese Hure und fragen Sie sie, ob sie etwas weiß.«
»Farley, wir haben bereits mit ihr gesprochen. Sie redet nicht viel und ist nicht besonders scharf darauf, in die Sache hineingezogen zu werden.«
»Also weiß sie vielleicht etwas.«
»Vielleicht. Im Moment kann ich es nicht aus ihr herausquetschen. Außerdem will ich sie nicht zu Ivan scheuchen, damit sie ihm erzählt, dass wir ihn immer noch verdächtigen.«
»Das ist ihm längst klar.«
»Ja, sicher, aber wir haben ihn eine Weile nicht mehr behelligt. Wenn wir was gegen ihn in der Hand haben, wollen wir den Überraschungseffekt ausnutzen.«
»Na gut, da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich wundere mich sowieso jeden Tag aufs Neue, dass diese Ratte noch nicht abgehauen ist.«
»Das wird er sicher tun, sobald er das Geld von der Versicherung hat. Im Augenblick ist das unsere einzige Handhabe gegen ihn. Wenn die Untersuchung erst abgeschlossen ist, hoffe ich, dass ein Aufruf im Fernsehen jemanden anspornen wird, das Richtige zu tun.«
»Das bezweifle ich, Lieutenant.«
»Man kann nie wissen, Farley. Das Gewissen lässt sich schwer einschätzen.«
»Der Bastard hat kein Gewissen«, sagte Farley, »und Gott ist ein ironischer Mistkerl. Er hat nur den guten Menschen ein Gewissen gegeben, und die brauchen keins.«
33
Das Haus
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