Habgier: Roman (German Edition)
lag am Ufer der Venice Canals – dem Traum von Abbot Kinney, ein bisschen Flair der Alten Welt in die Subtropen Kaliforniens zu bringen.
Das Areal umfasste sechs miteinander verbundene Kanäle, die in den Pazifik flossen, und nachdem die Kanäle angelegt waren, entstanden dort flache, einfache Häuser und Hütten. Dreißig Jahre später ersetzten Architektenhäuser diese Schuppen und Hütten. Der derzeitige Wert eines Grundstücks lag weit über einer Million Dollar.
Vom Traum eines Biobauernhofkollektivs zum dreigeschossigen Designerhaus: Alyssa Bright Mapplethorpe hatte irgendwo eine Hundertachtziggradwende vollzogen. Sollte Alyssa noch immer idealistischen Utopien nachhängen, war Venice sicher genau der richtige Ort dafür. Die Gegend beherbergte seit jeher etliche Sozialisten, Kommunisten, Bilderstürmer, Landstreicher und echte Hippies.
Marge parkte in einer Auffahrt hinter dem Haus und ging mit Oliver zu Fuß zur Vorderseite. Das Gebäude bestand aus einem Stapel moderner Kuben mit überdimensionierten Fenstern zum Wasser hin. Bevor sie anklopften, verweilten sie einen Moment auf der Veranda, auf der zwei Schaukelstühle, Tische und Terrassenstühle standen. Vor ihnen war ein Anleger, an dem zwei Ruderboote befestigt waren. Unter dem grauen Himmel lag das Wasser ruhig da, außer wenn die vorbeischwimmenden Enten ihre Schwänze schüttelten und mit ihren Schwimmflossen kleine silbrige Wellen hinter sich ließen. Die Luft war dunstig und roch nach Meersalz.
Oliver pochte an die Tür, und die Frau, die ihnen öffnete, stellte sich als Alyssa Bright Mapplethorpe vor. Sie war schlank, fast dürr, um die fünfzig, trug ihr graues Haar schulterlang und hatte ein faltiges Gesicht, verschönt durch Rouge und Lipgloss als einziges Make-up. Sie hatte eine Jeans an, die ihre O-Beine betonte, dazu einen pinkfarbenen weichen Kaschmirpulli. Ihre Füße steckten in Joggingschuhen. Die Polizisten nannten ihre Namen, und Alyssa bat sie herein.
Das Innere des Designhauses war so modern gehalten wie sein Äußeres, und der Grundriss ähnelte einem Loft aus Chrom und Glas. Das Haus war mit der Absicht gebaut worden, die Aussicht auf den Pazifik in Szene zu setzen. Im Erdgeschoss befand sich der Empfangsbereich, dessen Decke sechs Meter hoch lag. Die anderen Etagen erreichte man über eine Wendeltreppe aus Stahl. Die in gebrochenem Weiß gehaltenen wenigen Möbel waren schlicht und standen in einem dramatischen Kontrast zu dem schwarzen Fußboden aus Ebenholz.
»Bitte machen Sie es sich bequem«, sagte Alyssa. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Wasser vielleicht?« Sie wartete die Antwort der beiden nicht ab und ging in den Küchenbereich, griff nach drei mundgeblasenen Wassergläsern, füllte Eis hinein und kehrte mit verschiedenen Mineralwasserflaschen und Zitronenschnitzen zurück. »Ich habe ständig Durst.« Sie goss jedem ein Glas Wasser ein. »Man hat mich auf beide Varianten der Diabetes getestet, und jedes Mal waren die Ergebnisse gut. Wahrscheinlich gehöre ich einfach zu den Menschen, die schnell dehydrieren.«
Sie verteilte die Gläser, leerte ihres in einem Zug und goss sich noch eins ein.
»Nach Ihrem Anruf heute Morgen, Sergeant Oliver, war ich zutiefst schockiert.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Dieses Gespräch ist schon lange überfällig.«
»Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Sie sich mit uns getroffen haben«, antwortete Oliver. »Ich habe auch mit dem ermittelnden Beamten im Fall von Beth und Manny Hernandez gesprochen, George Kasabian. Er ist mittlerweile pensioniert, aber er kann sich noch gut daran erinnern, dass die Kirchenmitglieder alles getan haben, um der Polizei aus dem Weg zu gehen.«
Jetzt rannen die Tränen über ihre Wangen. »Damals war das so. Erst der Schock, dass Beth und Manny verschwunden waren, und dann die Erkenntnis, dass sie das Geld mitgenommen hatten. So wütend wir auch waren, niemand hat je vorgeschlagen, die Polizei einzuschalten. Die ›Bullen‹ waren der Feind.«
»Vor allem auch dann, wenn die Mitglieder viel mit Drogen zu tun hatten«, deutete Marge an.
»Das gab ganz sicher den Ausschlag, nicht zu kooperieren. Damals kam weder mir noch den anderen die Idee, Manny und Beth könnte etwas Schlimmes zugestoßen sein. Bis dann Beths Mutter eine oder zwei Wochen später anrief. Sie war verzweifelt und wollte, dass ich ihr helfe, die beiden zu finden. Ich schickte Mrs. Devargas zur Polizei. Sie sagte mir, sie und ihr Mann seien dort gewesen, und
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