Habgier: Roman (German Edition)
verkauft Häuser.«
»Also ist er es vielleicht doch nicht«, sagte Marge, »denn andernfalls muss er wissen, dass er nach der Identifizierung von Beth nicht nur unser Hauptverdächtiger für den Mord an seiner Frau ist, sondern dass er in Rekordgeschwindigkeit an die erste Stelle der Verdächtigen für das Verschwinden von Roseanne Dresden rutscht.«
»Vielleicht hält er sich für unantastbar, weil er den Polygraphentest bestanden hat?«, meinte Oliver.
»Wir gehen davon aus, dass dieser Typ weiß, er könnte wegen Mordes angeklagt werden. Und trotzdem bleibt er in der Nähe und verkauft wie immer seine Häuser.« Marge schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn.«
»Klingt verrückt«, gab Decker zu, »aber unterschätz nie die Macht der Selbstgefälligkeit.«
Ein Flug um sieben Uhr morgens war selbst für einen Unermüdlichen wie Decker zu früh, aber er brauchte den vollen Tag. Selbst wenn alles glattging, würde er es durch die Zeitverschiebung, bei der er eine Stunde verlor, nicht vor elf Uhr bis Santa Fe schaffen. Während er auf der Interstate 25 gen Norden rollte, war der Verkehr angenehm ruhig und der Himmel von einer endlosen blauen Weite, wie Decker es noch nie gesehen hatte. Ein herrliches Wetter – so eine Verschwendung, diesen Sonnentag für einen Gefängnisbesuch zu opfern.
Das Gefängnis lag fünfzehn Minuten außerhalb der Stadt und hatte einen Hochsicherheitstrakt und einen angegliederten Bereich für Freigänger. Die Anlage bestand aus einem einstöckigen Gebäude auf dem flachen Land, das mit violett blühendem Salbei, Pinien, Wacholder, Sumachbüschen und jeder Menge Steppenläufer bevölkert war. Der Wachturm glich vor dem endlosen Himmel einem kilometerhohen Wolkenkratzer. Es war angenehm mild, aber die Luft war staubtrocken. Decker spürte, wie seine Lippen und Nasennebenhöhlen mit jeder Sekunde stärker ausdörrten.
Nachdem er sich legitimiert und eingetragen hatte, passierte er eine Sicherheitsschleuse und wurde am anderen Ende von einem Wachmann namens Curtis Kruse erwartet, der bestimmt sechzig war und einen Bierbauch hatte, um den sich das Hemd seiner khakifarbenen Uniform erheblich spannte. Seine Arme waren kurz, aber muskelbepackt, und seine Beine so kräftig wie Eichenstämme. Er hatte ein rundes Gesicht mit Doppelkinn, dichtes weißes Haar und stahlgraue Augen wie verspiegeltes Glas. Sein Händedruck war fest, aber nicht unangenehm brutal.
»Willkommen im wundervollen New Mexico.« Kruse führte Decker in einen kleinen Raum mit einem Stahltisch und zwei Stühlen, wobei alle Möbel am Boden festgeschraubt waren und nichts an den Wänden hing außer einem Einwegspiegel und zwei Videokameras dicht unter der Decke. Der Wachmann schloss die Tür. »Hoffe, Sie sehen mehr von der Gegend als nur das Gefängnis?«
»Heute leider nicht, aber ich habe meiner Frau versprochen, mit ihr hier Urlaub zu machen.«
»Es gibt kein besseres Wetter als das von heute, es sei denn, Sie sind Allergiker. Der Wind ist brutal.«
»Heute herrscht totale Flaute«, berichtete ihm Decker.
»Warten Sie bis zum Nachmittag, Sir, und Sie werden begreifen, warum Albuquerque das Zentrum der Heißluftballonfahrer ist. Aber egal, man hat mir gesagt, Sie sind wegen Martin Hernandez hier? Marty war in letzter Zeit ein braver Junge... in letzter Zeit heißt so viel wie: die letzten zehn Jahre.«
»Ich habe gehört, seine Strafe ist fast abgelaufen.«
»Noch zwei Jahre, drei Monate und ein paar Tage. Er kann es Ihnen wahrscheinlich auf die Minute genau sagen.«
»Das glaub ich gern. Sie waren noch nicht hier, als er verurteilt wurde, oder?«
»Na, das ist ja mal eine nette Art und Weise, mich zu fragen, wie lange ich hier schon arbeite.« Kruse grinste. »Seit zweiundzwanzig Jahren, und davor war ich in Casper, Wyoming, im Polizeidienst. Meine Frau und ich sind wegen der milden Winter nach Santa Fe gezogen. Sie mag keine Kälte, außer beim Skifahren. Als ich hier anfing, war Marty schon ein Veteran.«
»Gab es je Probleme mit ihm?«
»Er hatte seine Phasen, wie jeder hier«, sagte Kruse. »Ich weiß, dass er mehr als nur einmal in die Einzelzelle musste, aber er machte es sich nicht zur Gewohnheit, wie einige andere. Und mit dem Alter – Sie wissen ja, wie das ist: Das Testosteron sinkt, und mit ihm die Aggressivität. In letzter Zeit hat Marty seinem Leben einen neuen Sinn als Hundeflüsterer gegeben.«
»Ja, davon habe ich in der Zeitung gelesen.«
»Er kann gut mit Tieren umgehen. Was wohl
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