Habgier: Roman (German Edition)
diszipliniert worden sind.«
Hernandez schmatzte laut mit den Lippen. »Aber’s gibt Disziplin, und’s gibt pure Bosheit. Klar muss man selbstsicher sein, wenn man mit untrainierten Hunden arbeitet, trotzdem haut man dem Hund nicht einen übern Kopp, nur damit er hört.«
»Aber die Hunde müssen lernen, Ihre Autorität zu respektieren.«
»Ganz genau. Ist’ne gute Lektion fürs Leben... Autorität anerkennen. Ich hab’ne Weile gebraucht, um das zu kapieren, mir hat das kein Mensch beigebracht.«
»Hat man Ihnen also auf den Kopf geschlagen, Mr. Hernandez?«
»Ganz genau. Mein Daddy war’n bösartiger Säufer, hat mich falsch erzogen. Mit ein bisschen Nachsicht und weniger Stöcken wär aus mir ein bessrer Mensch geworden.«
»Haben Sie Kinder, Mr. Hernandez?«
»Hab ich.«
»Söhne? Töchter? Beides?«
»Söhne.«
»Und haben Sie die mit ein bisschen Nachsicht großgezogen?«
»Ich hab ihnen beigebracht, sich nicht wie Idioten zu benehmen.«
»Waren Sie einer, der mit Stöcken auf Köpfe schlägt?«
»Ich war gar nichts, denn ich sitz schon lange im Knast. Sind bald dreiundvierzig Jahre. Die ganze Erziehung blieb an meiner Frau hängen, Gott sei ihrer Seele gnädig. Ich vermiss sie. Sie hat es gut gemacht, wenn man so überlegt, was ihr blieb.«
Kruse kehrte mit zwei Bechern Kaffee zurück. Er steckte sich eine Zigarette an und reichte sie dann an Hernandez weiter.
Der Häftling nahm einen tiefen Zug. »Ah, das wahre Leben.«
»Rauch sie lieber langsam, Martin, mehr als eine gibt’s nicht.«
»Mach ich, Officer Kruse, genau das mach ich.«
»Die Kameras werden rund um die Uhr überwacht«, wandte Kruse sich an Decker, »Sie sollten also keine Probleme haben. Blicken Sie einfach in die Kameras, und rufen Sie uns, wenn wir ihn abholen sollen.«
»Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Gern geschehen«, sagte Kruse grinsend, »und du, Martin, sei brav, du hast nicht mehr lang.«
»Weiß ich, Sir, ich denk jeden Tag dran.« Als Kruse gegangen war, wiederholte er: »Es stimmt, ich denk jeden Tag dran.«
»Das glaube ich Ihnen gerne.« Decker nippte an seinem Kaffee: dickflüssig wie Schlamm und bitter.
»Ein alter Mann hat’s hier nicht leicht«, beschwerte sich Martin. »Die Kälte im Winter zieht direkt in die Knochen. Meine Lunge ist im Eimer. Hab immer Angst vor Lungenentzündung, wissen Sie. Und manchmal, da bin ich froh, krank zu sein, denn auf Station ist es netter als in den Zellen, wenn Sie wissen, was ich mein?«
»Glaub schon«, entgegnete Decker. »Wo wollen Sie nach Ihrer Entlassung leben?«
»Nach Santa Fe kann ich nicht zurück.« Er zog wieder an der Zigarette. »Die häuten mich bei lebendigem Leib. Hab zwei Leute bei’nem Raubüberfall umgelegt. Ich nehm mal an, Sie wissen davon.«
Decker nickte.
»Das war nicht geplant. Aber da ist man total aufgeputscht von Drogen und Adrenalin, und dann macht jemand’ne falsche Bewegung. Ich hatte nichts gegen die zwei Jungs, aber so was passiert eben, wenn man vollgepumpt ist, verstehen Sie?«
»Wo wollen Sie also hin, wenn Sie entlassen werden?«
»Richtung Süden – Las Cruces, Silver City, Carlsbad. Da ist es im Sommer heißer, dafür im Winter wärmer.«
»Kennen Sie dort jemanden?«
Er schüttelte den Kopf. »Nö, keine Seele.« Er leerte seinen Kaffeebecher. »Aber das macht nichts. Ich brauch nur genug Auslauf für die Hunde und’n Wasserloch in der Nähe. Ich bin’n netter Kerl. Ich kann Freundschaften schließen.«
»Sie wirken tatsächlich sympathisch.« Decker betrachtete den Mann, der bei dem Kompliment lächelte. »Haben Sie noch Kontakt zu jemandem da draußen?«
»Klar, ein paar Leute kenn ich noch.«
Decker bemerkte, dass Martin seine Augen zusammenkniff, also wechselte er das Thema. »Hat Ihre Frau Sie oft besucht?«
»Drei-, viermal die Woche. Ich hab’s Ihnen schon gesagt, sie war’ne gute Frau.«
»Hat sie die Jungs mitgebracht?«
»Manchmal.«
»Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Söhnen, Martin? Besuchen die Sie ab und zu?«
Der alte Mann zuckte mit den Schultern und rauchte weiter. »Ein- oder zweimal, so was in der Art.«
Der Mann war ein geschmeidiger Lügner, aber Decker hatte auch nichts anderes erwartet. Nur sind sogar Häftlinge unterschiedlich begabt, die Wahrheit zu verdrehen. Decker wartete ab, bis die Zigarette bis zum Filter abgebrannt war. Dann blickte er in eine der Kameras und bat um eine zweite Zigarette.
»Sehr nett von Ihnen, Sir«, sagte Hernandez.
»Ich kann ein netter Mensch
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