Habgier: Roman (German Edition)
Platanen beschattet wurde. Jedes Apartment hatte einen eigenen Balkon; der Pool, der Fitness- und der Gemeinschaftsraum durften von allen benutzt werden – vorausgesetzt, der Mietscheck platzte nicht.
Der Frühnebel gab allmählich das Blau des Himmels frei, und als Decker die Stufen zu Arielles Apartment im dritten Stock erklomm, dachte er bereits über seine Wochenendplanung nach. Cindy und Koby kamen am Freitag zum längst überfälligen Abendessen, am Samstag standen die Synagoge und die Nachmittagsstudiengruppe auf dem Programm, aber der Sonntag blieb ihm zur freien Verfügung, ohne feste Zeiten und erlöst von allen Pflichten. Wenn Hannah sich mit Freunden verabredet hatte, was öfters vorkam, seit sie ein Teenager war, könnten Rina und er zu einer Spritztour nach Oxnard zu ihrem kosheren Lieblingsrestaurant und Weinverkauf aufbrechen.
Deckers Türklopfen wurde von einer Frau Mitte dreißig, braunhaarig, groß und anmutig, erhört. Ihre Augen waren tiefgrün und wurden durch ihre Kleidung betont – jadefarbene Caprihosen aus Baumwolle und ein T-Shirt in Olivgrün. Sie hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. An den Füßen trug sie einfache Flip-Flops. »Sind Sie Lieutenant Decker?«
»Ja, der bin ich«, antwortete Decker und zeigte ihr seine Dienstmarke, um seine Behauptung zu untermauern.
Sie lächelte und sagte: »Ich hätte wohl besser gefragt, wer an der Tür ist, bevor ich öffne. Wieder einmal Glück gehabt. Aber kommen Sie doch herein. Möchten Sie etwas trinken?«
»Ein Glas Wasser, sehr gerne.«
»Mit oder ohne Kohlensäure?«
»Ist mir beides recht.«
»Nehmen Sie irgendwo Platz, und entschuldigen Sie die Unordnung.«
Die Unordnung bestand aus einer Zeitung, die auf einem schwarzen, tiefen Sofa lag. Die Sitzfläche erinnerte eher an eine Matratze und war mit Knöpfen verziert, aber das Ganze entpuppte sich als erstaunlich gemütlich. Arielles Wohnbereich war offen gestaltet und spärlich möbliert, mit zwei mit Stoff bespannten Stühlen und einem Beistelltisch aus Acryl. Als sie zurückkam, hielt sie zwei Gläser mit sprudelndem Wasser in der Hand. Eins reichte sie Decker, dann nahm sie einen Schluck aus dem anderen und ließ sich in einen der Stühle fallen. »Ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen behilflich sein kann. Laut Anweisung der Firma sollen alle Fragen zu Flug 1324 an die offizielle Task Force weitergeleitet werden.«
»Das weiß ich. Und Sie sollten wissen, dass Ihnen die Firma nicht den Mund verbieten darf.«
»Darum geht es nicht«, sagte Arielle, »aber in einer Krise wie dieser geraten eine Menge Fehlinformationen in Umlauf. West Air möchte dieses Risiko so gering wie möglich halten.« Sie gab ihrem Pferdeschwanz einen Schubs nach hinten. »Wie hieß noch mal der Typ, der mich angerufen hat?«
»Detective Oliver.«
»Ja, genau. Er erwähnte Roseanne Dresden und meinte, es gäbe da ein paar Fragen?«
»Das stimmt, ich würde gerne mit Ihnen über Roseanne reden.«
Sofort standen Tränen in ihren Augen. Sie stellte ihr Glas ab und wischte sich übers Gesicht. »Sicher.«
»Sie kannten sie gut?«
»Seit der achten Klasse.«
»Das ist eine lange Zeit.«
»Eine sehr lange Zeit.«
»Sind Sie aus Fresno?«
»Eine waschechte Einheimische.«
»Was führte Sie nach L.A.?«
»Ein Ehemann.«
»Kamen Sie vor oder nach Roseanne hierher?«
»Vor ihr, glaube ich, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Auf der Highschool standen wir uns nicht sehr nah, hatten total unterschiedliche Freundeskreise. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass wir mal enge Freundinnen würden, hätte ich ihn für verrückt erklärt.«
»Wieso das?«
»Sie gehörte zu den beliebten Kids und ich nicht. Ehrlich gesagt mochte ich sie damals nicht besonders. Ich hielt sie für einen Snob. Wir lernten uns erst besser kennen, als wir beide bei West Air anfingen. Der Absturz war so schon schrecklich genug, aber ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie es mich getroffen hat, dass ausgerechnet Roseanne mit dabei war. Ich war total schockiert, als ich hörte, sie sei für einen Einsatz ab San Jose eingeteilt gewesen.«
»Tatsächlich«, sagte Decker und zückte seinen Notizblock, »warum denn das?«
»Ich dachte eigentlich, dass sie damit nichts mehr... egal. Wenn ich länger darüber nachdenke, ergibt es doch einen Sinn. Sie hatte zu Hause eine schwere Zeit, und vielleicht wollte sie einfach weg und wieder einmal tief durchatmen, und da bot sich San Jose an.«
»Ihre Ehe war wohl eher
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