Habgier: Roman (German Edition)
Sie meine Geschichte, Ms. Dunn. Eigentlich habe ich immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Ich habe mir den richtigen Job ausgesucht... na ja, wenigstens war er das bis zu dem Absturz. Ich habe ein Apartment gekauft, als die Kredite billig waren. Ich habe wunderbare Freunde... aber jeder baut irgendwo Mist.«
»Und bei Ihnen sind’s die Männer«, rutschte es Marge heraus.
»Ist das so offensichtlich?«
»Ich war auch schon an dem Punkt. Ärgern Sie sich nicht. In der Zukunft liegt die Hoffnung.«
»Daran würde ich gerne glauben.« Wieder seufzte sie tief. »Ich mochte Roseanne, wirklich…« Ihre Stimme versagte kurz. »Ich habe nur eine Schwäche für böse Jungs. Ich war dreimal verheiratet, und das mit achtundzwanzig. Immer wenn ich das Gefühl habe, dass alles richtig ist und gut läuft, kommt einer dieser Schlaumeier, grinst mich verwegen an und trifft voll ins Schwarze.«
»Ivan Dresden.«
»Haben Sie ihn mal getroffen?«
»Ich kenne ihn nur vom Foto. Er sieht gut aus.«
»Ich hatte schon schönere Männer als ihn, aber nur wenige waren so charmant wie er. Der geborene Heiratsschwindler, aber letztendlich war es meine Entscheidung, die Klamotten auszuziehen. Es war mir egal, dass er verheiratet war, aber es hätte mir nicht egal sein dürfen, dass er mit Roseanne verheiratet war. Sie war meine Freundin, und während der ganzen sechs Monate hatte ich Angst, sie würde es rausfinden.«
»Wer hat es dann schließlich beendet?«
»Ich, denn man kann nicht auf so engem Raum wie in einem Flugzeug zusammenarbeiten, wenn man zerstritten ist. Unser aller Leben hängt da oben vielleicht mal voneinander ab.«
»Und Sie sind sich sicher, dass Roseanne nie etwas gemerkt hat?«
»Ich bin mir ganz sicher. Manchmal war ich kurz davor, es zuzugeben. Zum Beispiel, als sie bei einem Mittagessen die Fassung verlor und mir offenbarte, Ivan habe eine Affäre. Während sie die Worte herauspresste, blieb die Zeit stehen. Ich hätte fast alles gebeichtet, aber dann kapierte ich, dass sie über eine andere Frau herzog. Wie gut, dass ich gezögert hatte, denn ganz offensichtlich betrog er uns beide!«
»Können Sie sich an den Namen erinnern?«
»Melissa... Miranda...« Sie zuckte mit den Achseln. »Sie arbeitete jedenfalls nicht für West Air.« Erika nippte an ihrem Kaffee. »Es gibt einen Grund, warum ich Ihnen all die Details meiner schmutzigen Eskapade erzähle. Wenn ich Eliot richtig verstanden habe, suchen Sie nach einem Zeugen, der gesehen hat, wie Roseanne an Bord ging.«
Marge fühlte, wie sich ihr Puls beschleunigte. »Sie haben Roseanne ins Flugzeug steigen sehen?«
»Nein, ich habe sie nicht gesehen, und genau das ist der springende Punkt. Ich hatte eine Affäre mit Roseannes Ehemann, und deshalb habe ich immer nach ihr Ausschau gehalten, um mich auf die Begegnung vorzubereiten. Ich musste das tun... mich geistig darauf vorbereiten. Ich habe eine helle Haut und werde schnell rot. Und ich wollte auf keinen Fall, dass sie mich ›Was ist los?‹ oder so was Ähnliches fragt.«
»Aha.«
»Wenn Roseanne durch dieses Gate das Flugzeug bestiegen hätte, hätte ich sie bemerkt. Aber ich habe sie nicht gesehen. Also war sie nicht da.«
»Hätte sie an Bord gehen können, bevor Sie am Gate waren?«
»Nein, denn ich war bereits mit dem Einchecken der Passagiere beschäftigt, als dasselbe Flugzeug aus San Jose erst gelandet ist.«
»Könnte Roseanne mit diesem frühen Morgenflug angekommen und in der Maschine geblieben sein?«
Erika dachte einen Moment lang über diese Frage nach. »Möglich wär’s. Manchmal bleiben die Flugbegleiter an Bord, aber normalerweise nicht. Wir erfrischen uns lieber in Waschräumen, die größer als eine Sandwichbox sind. Aber das ist doch auch egal, denn Ihre Frage lautete, ob sie hier in Burbank eingecheckt hat und auf einem Notsitz saß oder nicht.«
»Vielleicht hat ihr Ehemann alle Flüge durcheinandergebracht. Vielleicht hat er seiner Frau nur mit halbem Ohr zugehört und die Gelegenheit genutzt, sie loszuwerden, um eine seiner Freundinnen anzurufen.«
»Darf ich fragen, warum Sie sich – als Sachverständige einer Versicherung – so ausgiebig mit den schlechten Angewohnheiten von Ivan Dresden befassen?« Erikas Augen verengten sich zu Schlitzen. »Sie wissen selber genau, dass Sie mir keinen Ausweis gezeigt haben. Versicherungsleute machen das routinemäßig. Warum sagen Sie mir nicht einfach, wer Sie wirklich sind? Ich war schließlich auch ehrlich zu
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