Habgier: Roman (German Edition)
hat dir heute freigegeben?«, fragte Decker.
»Wir haben in vierzig Minuten einen Termin mit Priscilla Barrett. Und wenn wir schon in die Vergangenheit eintauchen, dachte ich mir, ich kleide mich entsprechend.«
»Du siehst eher nach den Fünfzigern als den Siebzigern aus, Scott«, sagte Marge.
»Ich kann ja wohl kaum zerrissene Jeans und ein handgebatiktes T-Shirt bei der Arbeit tragen und nach Zigaretten und Haschisch stinken – außer ich arbeite im Drogendezernat, was Gott sei Dank nicht mehr der Fall ist.«
»Du warst mal beim Drogendezernat?«, fragte Marge.
»Vor hunderttausend Jahren, da war ich noch jung und unbesiegbar, und die Nutten hatten Krankheiten, die man mit Antibiotika heilen konnte. Aber lasst uns nicht abschweifen – selbst wenn mein Outfit nicht im Einklang mit jenen steht, die Stammkunden bei Led-Zeppelin-Konzerten waren, so hätte ich mich wunderbar unter die Fans von Priscilla and the Major mischen können, damals schon.«
»Erklärung angenommen«, sagte Decker.
»Wir müssen los, Margie«, drängelte Oliver, »ihr Agent wartet auf uns. Er ist vehement dagegen, dass wir ohne ihn mit ihr sprechen.«
»Wieso das?«
»Er kultiviert da einen netten Beschützerinstinkt, aber vor allem ist er bis über beide Ohren in sie verliebt. Er will so einen Sexbolzen wie mich nicht in seinem Gebiet wildern lassen.«
»Oh lala...«
»Was heißt hier ›oh lala‹! Es gibt Frauen, die finden mich wahnsinnig charmant.« Er legte eine Pause ein. »Es gibt auch Frauen, die finden mich nur lächerlich. Was soll’s, ich bin viel zu sehr von mir überzeugt, um ihnen zu glauben, und selbst wenn ich es täte, bin ich zu alt, um mir deshalb graue Haare wachsen zu lassen.«
13
Normalerweise saß Marge am Steuer, aber da sie sich für Scotts venezianisch-roten frisierten Straßenkreuzer und gegen ihren Dienstwagen entschieden hatten, fuhr Oliver. Er war aus verschiedenen Gründen stinksauer. Marge telefonierte von dem Moment an, als sie sich ins Auto gesetzt hatte, nonstop mit ihrer Tochter. Und er musste Priscillas betagtem Agenten Miles Marlowe hinterhereiern, der in seinem alten Buick mit ungefähr zwanzig Kilometern pro Stunde vorantrödelte.
Marge quäkte in ihr Handy: »Du gehst ins Kino, und danach lernst du für deine Prüfung in Mikrobiologie... Vega, die Prüfung ist in einer Woche. Zwei Stunden Ablenkung werden deinen Kopf durchlüften... okay, okay, du weißt besser als ich, was dir guttut... Wie wäre es denn, wenn Willie und ich dich Samstagabend zum Essen ausführen? Dann musst du Josh nicht zweimal hintereinander absagen.«
Sie wechselte das Handy ans andere Ohr.
»Das würde dir passen? Nein, Liebes, es ist gar kein Problem. Ich bin sicher, Willie würde ihn gerne kennenlernen...«
Oliver räusperte sich.
»Schatz, ich bin auf dem Weg zu einem Termin. Also sehen wir uns Samstag? Okay... okay... sicher... ja... bis dann.« Sie beendete das Gespräch und sagte zu Oliver: »Ich habe ein Doppelrendezvous.«
»Wer muss auf die Rückbank?«
Marge versetzte ihm einen Schubs.
»Gib Gas!«, blaffte Oliver den Buick vor sich an. »Benutz einfach das Gaspedal! Der Motor macht den Rest!«
»Er kann dich nicht hören...«
»Der alte Mann gehört auf die Galapagos-Inseln, zu den ganzen anderen steinalten Schildkröten.«
Miles Marlowe bog nach rechts ab in eine bewachte Wohnsiedlung, bremste in Zeitlupe, bis er stand, kurbelte das Fenster runter und wies auf einen Parkplatz, den die Detectives benutzen sollten. Oliver manövrierte sein Auto beim ersten Versuch in die enge Parklücke, während Miles fünf Anläufe brauchte, um den Buick auf einen Platz zu wuchten, der groß genug für einen afrikanischen Elefanten gewesen wäre. Endlich stieg der alte Mann aus und humpelte hinüber zu Marge und Oliver. Sein Rücken war stark nach vorne gebeugt, aber sogar in seinen besten Jahren musste er sehr klein gewesen sein. Er trug dicke Brillengläser und hatte eine gigantisch große Nase. Seine milchig blauen Augen waren leicht verschleiert. Das Beste an ihm war ein voller Schopf schneeweißer Haare. Der Agent sah auf die Uhr. »Keine Sorge, ich habe Priscilla bereits angerufen und gesagt, dass wir uns verspäten.«
Oliver verglich mit seiner eigenen Uhr: drei Minuten nach drei. »Ist es noch weit bis zu ihrem Haus?«
»Sie stehen direkt davor.«
Die Siedlung bestand aus Luxusbauten mit mindestens 300 Quadratmetern Wohnfläche und Grundstücken von 4000 Quadratmetern aufwärts. Inmitten
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