Habgier: Roman (German Edition)
vorbeigegangen, und so hielt der Leiter der Sicherheitsabteilung Marge Dunn auf der falschen Seite des Metalldetektors fest, denn sie hatte keine Zutrittsgenehmigung. Da West Air ihr ganz bestimmt kein grünes Licht erteilen würde, wechselte Marge zu Plan B über und versprühte ihren Charme bei den Angestellten am Check-in.
In den nächsten zwei Stunden würde kein West Air Flug starten oder landen, und der einzige Mensch am Schalter schien sich einsam zu fühlen und zu langweilen. Marge schätzte ihn auf Ende zwanzig, er hatte aber bereits ein rundes Gesicht und einen verkniffenen Mund. Sie rückte ihren marineblauen Rock zurecht. Warum genau der Reißverschluss dieses Rocks beim Gehen immer von der linken Seite zur vorderen Mitte wanderte, blieb eins der ungeklärten Rätsel der Menschheit. Sie schlenderte zum West-Air-Schalter und schenkte dem jungen Mann ihr süßestes Lächeln, woraufhin er das Gleiche tat und dabei seine eigenen weißen Zähne zur Schau stellte.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Bestimmt. Ich bin von der Acona-Versicherung, die eine Unterorganisation der Livalli-Gruppe ist. Wir bearbeiten zurzeit die Forderung eines Begünstigten im Zusammenhang mit Flug 1324 und wollen uns vergewissern, dass der Halter der Police tatsächlich an Bord des besagten Fluges...«
»Es tut mir leid«, antwortete der Angestellte, »aber alle Fragen zu Flug 1324 müssen über die West Air Task Force laufen. Ich kann Ihnen gerne die Telefonnummer geben.«
Marge beugte sich leicht nach vorne und senkte ihre Stimme. »Darf ich offen mit Ihnen sprechen, Mr....«
»Baine.«
»Mr. Baine, ich bin Marge Dunn.« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, und Mr. Baine schüttelte sie zögerlich. »Ihre Task Force beantwortet einfach keine Anrufe. Vermutlich haben sie es mit dieser Schadensregulierung nicht sonderlich eilig.« Sie wartete Baines Reaktion ab. Als er die Firma nicht sofort verteidigte, schaltete sie auf Improvisieren um. »Wir haben den Verdacht, dass die Firma ernst zu nehmende Geldprobleme hat. Es sollen sogar Gehaltsschecks zurückgehalten worden sein...«
»Nur ein einziges Mal«, unterbrach Baine sie.
»Ich bin nicht hier, um das Management in Verruf zu bringen, Mr. Baine, ich brauche nur ein paar Informationen.« Sie rückte ihr Gesicht noch näher an seins heran. »Ich vertrete eine Ihrer Stewardessen – Roseanne Dresden. Ich muss nur sicher sein, dass sie an Bord des Fluges war, damit ich ihrem armen Ehemann ein bisschen Trost und Geld spenden kann.«
Der Angestellte räusperte sich.
»Mr. Baine. Höre ich da so etwas wie Skepsis heraus?«
Ein Achselzucken. »Ich kannte keinen von den beiden besonders gut.«
»Aber Sie denken sich Ihren Teil und haben Ihre Meinung.«
»Sie war beliebt. Er nicht.«
Marge nickte ermunternd. »Was immer Sie mir erzählen wollen, tun Sie’s.«
»Meine Meinung wird Ihnen bei Ihrer Arbeit nicht weiterhelfen. Warum wollen Sie gerade Roseannes Fall genau überprüfen?«
»Alle anderen Opfer wurden geborgen und identifiziert, nur sie nicht.«
Baine war bestürzt. »Ich dachte, man hätte ihre Leiche schon vor Wochen gefunden.«
»Falscher Alarm.«
»Na so was.« Baine schürzte die Lippen. »Scheußlich.«
»Vor allem ist es sehr schmerzvoll für ihre Eltern. Sie warten auf Neuigkeiten, und wir haben ihnen nichts zu sagen.« Marge legte eine effektvolle Pause ein. »Wir haben folgende Fakten, Mr. Baine: Roseanne wurde für diesen Flug kein Ticket ausgestellt. Man teilte uns mit, sie saß auf einem der Klappsessel, auf dem Weg nach San Jose, um von dort aus ihren Dienst zu beginnen. Aber wir haben nichts gefunden, das ihre Anwesenheit an Bord des Flugzeugs beweist, sie wird lediglich seit dem Absturz vermisst.«
»Und das reicht nicht?«
»In diesem Jahrhundert nicht mehr. Wenn sie an Bord gegangen ist, musste sie durch die gesamte Security. Keiner der Sicherheitsleute erinnert sich ausdrücklich daran, sie gesehen zu haben.« Eine kleine, harmlose Lüge. »Alles, was ich jetzt wissen möchte, ist, wer am Gate von Flug 1324 gearbeitet hat. Vielleicht erinnert sich hier jemand, Roseanne beim Boarden gesehen zu haben.«
Baine schwieg, dachte aber ganz offensichtlich nach. Er nahm einen Telefonhörer in die Hand, wählte und drehte Marge dann seinen Rücken zu, während er mit jemandem sprach. Schon bald legte er auf und deutete zum Ausgang. »Quer über die Straße gibt es einen Coffeeshop. Sie erwartet Sie dort. Und Sie können sie nicht verfehlen... Sie
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