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Habgier: Roman (German Edition)

Habgier: Roman (German Edition)

Titel: Habgier: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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unterschiedlichsten Stadien der Nacktheit anzugaffen. Die Stirnseite des Raums war bedeckt von einem mit grellen Birnen bestückten Spiegel, zweigeteilt durch eine Schminkkonsole, auf der sich Cremetuben, Puderdosen, Wundsalben, Glittergels, Bürsten und Make-up-Utensilien in allen Farben, Schattierungen und Größen stapelten. Die Barhocker davor waren teilweise besetzt, aber die meisten Frauen standen, während sie ihre Kriegsbemalung auftrugen.
    Jell-O hieß weder Melissa noch Miranda, sondern Marina Alfonse, und Oliver stellte sie sich einen Moment lang in einem Seemannskostüm mit Mütze und altertümlicher Flöte vor. Sie saß in Zivil vor dem Spiegel und war dabei, sich abzuschminken. Oliver ging zu ihr hin und zückte, während er seinen Namen nannte, gleich die Dienstmarke, um sich auszuweisen.
    Marina Alfonse bedachte ihn mit einem eisigen Blick. »Ja und?«
    »Dante Michelli meinte, Sie hätten nichts dagegen, sich mit mir zu unterhalten.«
    Sie dachte kurz nach. »Ja und?«
    »Ich würde mich gerne mit Ihnen über einen Ihrer Kunden unterhalten.«
    »Wen?«
    »Ivan Dresden.«
    Sie antwortete nicht, blickte aber zu Boden. Einen Augenblick später starrte sie wieder ihr eigenes Spiegelbild an und schminkte sich weiter ab. Mit jeder Schicht Make-up, die aus ihrem Gesicht verschwand, wirkte sie jünger, und als sie fertig war, strahlte ihre Haut milchig-weiß mit zarten Sommersprossen auf den Wangen und unterstrich ihre erstaunlich blauen Augen. In schwarzen Jeans, einem schlichten schwarzen Pulli und flachen Sandaletten sah sie begehrenswerter aus als eine Stunde zuvor bei ihren Drehungen und Windungen vor Publikum.
    »Warum interessiert sich die Polizei für Ivan?« Marina bemühte sich, gleichgültig zu klingen, aber ihre leicht schrille Stimme verriet sie.
    »Ausnahmsweise schauen wir mal ganz genau hin.«
    »Hier, auf der Bühne?«
    »Das sollte ein Scherz sein.«
    »Immer lustig.« Marina war erst Mitte zwanzig, aber so zynisch wie ein alter Mann. »David Rottiger hat mir Ihre Karte gegeben. Wenn ich mit Ihnen reden wollte, hätte ich mich gemeldet.«
    Sie war stinksauer, und Oliver fragte sich, warum. Rottiger hatte behauptet, Marina interessiere sich nicht für Ivan, aber ein gut zahlender Kunde konnte einige Aufmerksamkeit wecken. »Ich hätte nur ein paar kleine Fragen.«
    »Wenn Sie was über Ivan wissen wollen, fragen Sie ihn doch selbst.«
    Oliver ließ seiner wohlbegründeten Vermutung freien Lauf. »Schätzchen, hier geht’s um eine Menge Kohle von der Versicherung. Beantworten Sie einfach meine Fragen, dann können Sie ihm helfen.« Der Satz stellte sie ruhig, und er redete weiter. »Laut David Rottiger mochten Sie Ivan nicht besonders, als Sie ihm das erste Mal begegnet sind. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?«
    »Ivan ist in Ordnung. Er kommt regelmäßig, gibt viel Trinkgeld, und ich will ihn nicht vergraulen.«
    »Niemand muss von unserer kleinen Unterhaltung erfahren.«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    Was bedeutete, dass sie den Kerl anrufen würde, sobald Oliver ihr den Rücken zudrehte. Marge hatte bereits die richterliche Verfügung für Roseannes Konten, Kreditkarten und Telefonverträge, also konnte Ivan ihnen, was das betraf, keinen Strich mehr durch die Rechnung machen. Allerdings war es weitaus besser, wenn Ivan so lange wie möglich ahnungslos blieb. Oliver brauchte ein Druckmittel, das er bei Marina einsetzen konnte.
    »Warum mochten Sie ihn zuerst nicht?«
    »Ich hielt ihn für ein Arschloch«, sagte Marina. »Ich habe nichts gegen verheiratete Männer, die mit mir flirten wollen, aber nicht in Anwesenheit der Ehefrau. Das ist nicht besonders witzig.«
    »Kannten Sie Roseanne?«
    »Als wir einander vorgestellt wurden, war sie ziemlich abweisend. Ivan behauptet, sie ist frigide. Na ja, ich find’s normal, dass sie mich nicht leiden kann, wenn er mich den ganzen Abend lang anbaggert.«
    »Haben Sie ein Verhältnis mit Ivan?«
    »Das wäre gegen die Regeln.«
    »Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden.«
    »Mr. Michelli ist ein guter Boss und hat seinen Laden im Griff. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
    »Schauen Sie mal, Süße, ich will nicht wissen, was Sie sich nebenbei verdienen. Mir geht’s einzig und allein um Ivan Dresden. Er wird vermutlich einen Haufen Geld kriegen, falls der Leichnam seiner Frau jemals auftaucht. Aber bis die Erkennungsdienstler seine Frau finden, wird Dresden von der Versicherung und der Polizei durchleuchtet. Wenn Sie da was am Laufen

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