Habgier: Roman (German Edition)
das anbietet, ist ein Betrüger.«
Decker wusste, dass Mike recht hatte. »Sechzig wäre machbar.«
»Bezahlst du das?«
»Ich werde ihnen anbieten zu helfen. Mein Schwiegersohn will beim Abriss selbst mit anpacken.«
»Damit sparen sie einiges. Du weißt, dass ich dir den besten Preis mache, den ich verantworten kann. Aber die Jungs wollen am Ende auch ein bisschen was in der Tasche haben.«
»Na klar. Danke, dass du dir Zeit für die Pläne nimmst. Ich sag Cindy, sie soll dich so schnell wie möglich anrufen.«
»Prima.« Hollander verfrachtete die Pläne in seine Aktentasche. »Genug von mir geredet. Erzähl du mir was aus der wunderbaren Welt der Polizeiarbeit.«
In dem Moment, als Hollander die Frage stellte, brachte die Bedienung das Essen. Sie sah Decker an und fragte: »Sie sind Polizist?«
»Der beste, mit dem ich je gearbeitet habe«, erklärte Hollander. »Jetzt ist er Lieutenant, und wenn er ein bisschen politisch taktiert hätte, wäre er schon längst Captain.«
»Gleich werde ich rot«, sagte Decker.
»Wir haben gerne Cops als Gäste«, sagte die Kellnerin, »sie behalten den Pöbel im Auge.«
Das Restaurant lag am äußersten Rand von Devonshire. Decker reichte der Bedienung seine Visitenkarte. »Wenn Sie Probleme haben, rufen Sie mich an.«
»Sehr freundlich. Lassen Sie es sich schmecken. Das Essen geht aufs Haus.«
Die Männer nickten. »Und mit was«, fragte Hollander, »außer Bürokram verbringst du nun deine Zeit?«
»Momentan haben wir richtig interessante Fälle im Morddezernat.« Decker erzählte ihm von dem Leichnam, der unter den Absturztrümmern gefunden wurde und nicht die Leiche war, die sie gesucht hatten.
»Die Stewardess wird immer noch vermisst«, berichtete Decker weiter.
»Und ihr habt keine Ahnung, wer das unidentifizierte Opfer sein könnte?«
»Nicht den blassesten Schimmer. Manchmal findet man bei Abstürzen dieser Art zu viele einzelne Hinweise, aber ich hab noch nie gehört, dass ein ganzer Leichnam aufgetaucht ist.«
»Vielleicht war’s ein blinder Passagier im Gepäckraum.«
»Daran hab ich auch schon gedacht, aber drei Dinge sprechen eindeutig dagegen. Erstens sind die Sicherheitskontrollen mittlerweile ziemlich streng, also kann ich mir nicht vorstellen, wie sie da durchgerutscht sein sollte. Zweitens hat sie eine hübsche Schlagdelle im Schädel. Drittens trägt sie eine uralte Jacke, die vermutlich um 1974 hergestellt wurde. Wenn der Leichnam in besserem Zustand wäre, hätte ihr ein forensischer Rekonstrukteur ein Gesicht auf die Knochen gezeichnet. Aber das biologische Material ist so fragil, dass der Staatsanwalt sich weigert, ein Schädelmodell aus Gips anfertigen zu lassen. Wenn die Knochen zerbröseln, verlieren wir forensische Beweismittel.«
»Die Schlagdelle ist im Schädel.«
»Genau. Wir überlegen jetzt, ob wir ein computergestütztes forensisches Gesichtsmodell erstellen lassen, aber es ist nie so aussagekräftig wie die von Hand angefertigten.«
Hollander lehnte sich zurück und strich über seinen Ziegenbart. Er sah sehr weise aus. »Irgendwas klingelt da bei mir. Ich brauch ein bisschen, um mich zu erinnern.« Er biss in seinen Hamburger, und der Ketchup rann über seinen Bart. Die Barthaare blieben pinkfarben, auch nachdem er sie abgetupft hatte. »Für einen Coffeeshop ist das Essen gut, und sie haben Truthahnburger auf der Karte. Rotes Fleisch ist in meinem Alter verboten... Ha, jetzt fällt’s mir wieder ein.«
Er legte seinen Burger auf dem Teller ab.
»Ich gestehe, dass mir mein Beruf ab und zu fehlt. Hast du schon mal eine dieser True-Crime-Polizeishows im Fernsehen gesehen?«
»Welche? Diesen Privatdetektiv auf dem Kabelkanal?«
»Nein, nein, so was wie Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen.«
»Manchmal bleib ich bei so was hängen.«
»Meistens geht es um zähe Polizeiarbeit, bis der böse Bube endlich gesteht, oder es hängt alles an der DNA. Aber in einer Show ging es um was ganz Ähnliches wie in eurem Fall. Die Finger waren entfernt oder mit Säure verätzt worden, und die Haut im Gesicht war abgezogen, so dass nur noch die Muskeln zu sehen waren.«
»Keine Chance, den Leichnam zu identifizieren.«
»Yep, so hatte sich der Täter das gedacht. Und es hätte fast funktioniert, weil die forensische Zeichnerin kein Gesicht rekonstruieren konnte: Der Staatsanwalt erlaubte nicht, dass die Muskeln vom Schädel entfernt wurden, da so forensisches Beweismaterial vernichtet würde, und darum fehlten ihr die
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