Habgier: Roman (German Edition)
fragte Decker.
»Dresden wies auf das Naheliegendste hin: Sie wollte Raymond Holmes besuchen.«
»Genau, und er hatte es furchtbar eilig, uns mitzuteilen, dass Raymond Holmes ziemlich unbeherrscht sein kann«, sagte Oliver.
»Dresden ist Holmes schon mal begegnet?«, fragte Decker.
»Nein«, sagte Marge, »er ist ihm nie begegnet, behauptet aber, er habe Holmes schon mal am Telefon gehabt. Es klang danach, als hätten sich die beiden verbal angepisst, mehr nicht.«
»Wissen wir, wo Ivan Dresden war, während sich seine Frau in San Jose aufhielt?«, fragte Decker weiter.
»Er war unterwegs, hat aber nicht erwähnt, wo«, antwortete Marge.
»Ich tippe aufs Leather and Lace «, sagte Oliver. »Wahrscheinlich will er mit seinen Neigungen hinterm Berg halten, bis er das Geld von der Versicherung kassiert hat.«
»Wenn Roseanne vorhatte, am nächsten Morgen von San Jose aus nach Hause zu kommen«, überlegte Decker, »um über den Streit zu reden, hätte sie die Fünfuhrmaschine nach Burbank genommen. Also besteht die Möglichkeit, dass jemand sie auf dem Flug gesehen hat und sich an sie erinnert.«
»Darüber habe ich schon nachgedacht«, sagte Marge, »aber die gesamte Crew, die auf dieser West-Air-Maschine im Dienst war, befand sich auch an Bord des Fluges 1324. Ergo sind diese Angestellten von West Air nicht mehr am Leben, um Roseanne zu identifizieren.«
»Aber die Passagiere des Fünfuhrfluges sind noch lebendig.« Decker fragte sich, wie es ihnen wohl ging, nachdem sie der tödlichen Kugel gerade noch mal entkommen waren. »Vielleicht ergattern wir eine Passagierliste und finden jemanden, der Roseanne gesehen hat.«
»Aber selbst wenn sich niemand an sie erinnert, könnte sie an Bord des Frühfluges gewesen sein«, meinte Oliver.
»Stimmt.« Decker dachte einen Moment nach. »Sollte Ivan uns die Wahrheit sagen und Roseannes letzte Worte lauteten tatsächlich, dass sie am Morgen nach Hause kommen wollte, um über den Streit zu reden – warum ist sie dann nicht einfach nach dem Flug von Burbank aus nach Hause gefahren?«
»Erste Möglichkeit, sie ist nie in Burbank eingetroffen. Zweite Möglichkeit, sie ist in Burbank gelandet und ausgestiegen, bevor Erika Lessing ihren Dienst begonnen hat, und wurde seither nicht mehr gesehen. Dritte Variante: Sie wurde in letzter Minute für Flug 1324 eingeteilt, und das Erkennungsteam hat ihre Leiche nicht gefunden«, listete Marge auf.
»Version eins hieße, sie wurde in San Jose abgemurkst; nach Version zwei bringt man sie in Burbank um die Ecke, und Variante drei bedeutet, sie stirbt bei dem Flugzeugabsturz. Oder aber es gibt noch eine vierte Variante – sie lebt gesund und munter unter neuem Namen«, führte Oliver aus.
»Da ihr letzter Anruf über einen Funkmast in San Jose lief, wäre es wohl das Beste, mal mit Raymond Holmes zu sprechen«, meinte Marge.
»Wann wollt ihr das machen?«, fragte Decker.
»In meinem Zeitplan wäre morgen noch Luft«, sagte Marge.
»Morgen geht’s bei mir nicht«, erwiderte Oliver, »aber wie sieht es bei dir am Donnerstag aus?«
»Donnerstag ist dicht«, sagte Marge, »aber ich kann das auch alleine erledigen, Scott.«
»Jemand soll Raymond Holmes anrufen und einen Termin vereinbaren«, sagte Decker zu beiden. »Sollte es morgen sein, begleite ich Marge; sollte es Donnerstag sein, fahre ich mit Scott hoch. Ich möchte gerne selbst mit ihm reden. Roseannes Eltern haben schließlich mich angerufen, und ich habe das Gefühl, ich schulde ihnen was.«
»Ich ruf Holmes an und geb euch dann Bescheid«, sagte Marge.
»Prima, und da wäre noch was, bevor ihr geht...« Decker händigte beiden einen dicken Stapel Papiere aus. »Eure Hausaufgaben: die vollständige Liste aller Mieter der zerstörten Seacrest-Apartments, von 1974 bis heute. Ich durchforste 1974 bis 1983. Scott, du übernimmst 1984 bis 1994, und du, Marge, kümmerst dich um 1995 bis heute.«
»Nach was genau sollen wir suchen?« Oliver blätterte die Seiten kurz durch.
»Ihr kontrolliert, ob alle Namen in eurer Zeitspanne gemeldet sind – entweder als lebendig oder als verstorben mit Totenschein. Wenn ihr auf einen Namen stoßt, der nicht überprüft werden kann – davon wird’s zwangsläufig einige geben -, haltet nach Übereinstimmungen mit den Angaben zu unserer verbrannten Jane Doe Ausschau.«
»Meine Liste ist ganz schön lang«, sagte Oliver.
»Meine auch«, gab Decker zurück.
»So viele Telefonate...« Oliver schüttelte den Kopf. »Mein
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