Habgier: Roman (German Edition)
wäre gegenseitig von Vorteil«, fuhr Oliver fort. »Wir stellen Ihnen gleich ein paar Fragen, die Sie bitte nicht falsch verstehen. Wir tun auch nur unsere Arbeit.« Dresden verzog säuerlich das Gesicht, aber Oliver wusste, wann jemand besänftigt war. »Wann haben Sie das letzte Mal etwas von Roseanne gehört?«
Dresden kratzte sich im Gesicht. »Ihre Fragen... brauche ich einen Anwalt?«
»Warum sollten Sie einen Anwalt benötigen?«, fragte Marge.
»Sehen Sie, Ivan... darf ich Sie Ivan nennen?« Oliver redete gleich weiter: »Wir sind hier, weil wir Unterstützung suchen. Ich stelle diese Fragen nicht, um Sie aus dem Konzept zu bringen. Ich stelle Fragen, weil wir für Ihre Frau einen Zeitplan erstellen wollen. Übrigens will die Versicherung genau das sehen.«
»Wir versuchen, den Ablauf ihrer letzten Nacht vor dem Crash zu rekonstruieren.« Marge hielt ihren Notizblock hoch. »Ich habe die Zeiten aufgelistet, und jetzt geht’s nur noch darum, die Lücken zu füllen.«
»Reine Routine«, bemerkte Oliver.
Alle schwiegen. Dann sagte Dresden: »In Ordnung, ich helfe Ihnen weiter – wenn Sie mir sagen, dass Sie nicht im Auftrag von Roseannes Eltern hier sind.«
»Sie haben uns nicht hergeschickt, und das ist die Wahrheit«, erklärte Marge. »Aber ich will ehrlich sein: Sie rufen seit drei Monaten ununterbrochen auf dem Revier an. Sie mögen Sie nicht besonders.«
»Die sind total durchgeknallt!«
»Sie beharren auf ihrer Meinung«, beschwichtigte Marge.
»Und genau deshalb habe ich denen nicht die Wahrheit gesagt, als sie mich fragten, wann ich Roseanne zum letzten Mal gesehen hätte.« Er seufzte. »Am Tag vor dem Absturz hatten Roseanne und ich einen grauenhaften Streit. Sie stürmte aus der Wohnung – ich schätze mal so gegen vier Uhr nachmittags.« Er blickte geistesabwesend ins Leere. »Am nächsten Morgen hörte ich von dem Absturz.« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich bin total ausgeflippt... ich...«
Er beendete den Satz nicht. »Wussten Sie, dass sie für den Flug 1324 eingeteilt worden war?«, fragte Oliver.
Er brauchte einen Moment, um sich zu beruhigen. »Sie hatte mir eine Nachricht hinterlassen, am Abend vor... dass sie für jemanden einspringen und abends in San Jose sein würde. Sie sagte, wir würden morgen früh darüber sprechen, wenn sie nach Hause käme. Aber dann...« Er hob seine Hände verzweifelt in die Luft.
»Okay«, sagte Marge, »um welche Uhrzeit hat sie Sie angerufen?«
»Ich weiß es nicht genau. Ich kam erst spät nach Hause und habe sie nicht zurückgerufen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich hätt’s getan... mit ihr gesprochen, bevor das geschah. Wir haben uns gestritten, aber trotz allem... Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schuldig ich mich fühle.« Er schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ich darf gar nicht daran denken. Es ist so furchtbar.«
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Marge, »dass ich das fragen muss: Wo waren Sie in der Nacht vor dem Absturz?«
»Nicht in San Jose. So viel kann ich Ihnen sagen. Nach dem Streit war ich total wütend. Ich bin ausgegangen und hab mich betrunken. Nicht besonders schlau, aber...«
»Worum ging es bei dem Streit?«, hakte Marge nach.
»Das Übliche.« Die Detectives warteten ab. »Geld.«
»Nicht Frauen?« Oliver wartete diesmal nicht auf die Antwort. »Wir haben brav unsere Hausaufgaben gemacht und wissen, dass es zwischen Ihnen und Ihrer Frau nicht zum Besten stand. Sie hatten Ihre Liebeleien, und wir haben auch gehört, dass Roseanne genauso Freunde hatte.«
Dresden verstummte. Oliver vermutete, dass er trotz seiner eigenen Fremdgeherei durch die Untreue seiner Frau schwer in seinem Stolz verletzt worden war. Deshalb fragte er ganz behutsam nach: »Ging es bei dem Streit um Ihre Affären?«
»Eigentlich nicht, aber wenn wir beide wütend wurden, haben wir uns gegenseitig mit Dreck beschmissen. Normalerweise sahen wir das Ganze etwas... lockerer. Und der Streit ging, wie fast alle unsere Streite, ums verdammte Geld.«
»Sie war angeblich stinksauer über Ihre Liebeleien«, sagte Marge.
»Und ich war stinksauer über ihren Scheich. Nur, wie ich schon sagte, das war nicht der eigentliche Grund unseres Streits.«
»Könnte sie nach San Jose geflogen sein, um ihn zu treffen?«
»Glaub ich weniger«, antwortete Ivan ein bisschen zu schnell. »Die Sache war längst gegessen.«
»Seit wann?«, wollte Oliver wissen.
Und dann konnte man dabei zusehen, wie in Ivan Dresdens Hirn
Weitere Kostenlose Bücher